Wahlfahrt09 » Polen http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 Die Wahl im internationalen Blick http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/die-wahl-im-internationalen-blick/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=die-wahl-im-internationalen-blick http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/die-wahl-im-internationalen-blick/#comments Thu, 24 Sep 2009 11:17:15 +0000 Lu Yen Roloff, Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=3384 GruppeWahlbeobachter bei GregorGysi

Foto: Jörn Neumann

HALLE. Wir von der Wahlfahrt09 sind nicht die einzigen, die im Vorfeld der Bundestagswahl durch das Land reisen. Von unserer vorletzten Station Magdeburg machten wir einen kleinen Abstecher nach Halle, um dort ein internationales Wahlbeobachterteam zu treffen, das im Auftrag des Deutschen Akademischen Auslanddienstes unterwegs ist: 18 Wissenschaftler aus 18 Ländern, Politologen und Historiker mit dem Spezialgebiet Deutschland. Sie sind in Halle, um dem Wahlkampfabschluss der Linkspartei beizuwohnen und Gregor Gysis Rede zu hören. In den Tagen zuvor hörten sie bereits Renate Künast und Guido Westerwelle, den Wahltag erleben sie in Berlin – und werten dann die Reise gemeinsam aus. Vorab gaben uns die Wissenschaftler aus der Türkei, den Niederlanden, Frankreich, Argentinien, Polen und den USA schon eine kurze Zwischenbilanz ihrer Beobachtungen vor ihrem jeweiligen Hintergrund.

]]> http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/die-wahl-im-internationalen-blick/feed/ 0 „Der Europagedanke ist in Deutschland in der Krise“ http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eder-europagedanke-ist-in-deutschland-in-der-krise%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259eder-europagedanke-ist-in-deutschland-in-der-krise%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eder-europagedanke-ist-in-deutschland-in-der-krise%e2%80%9c/#comments Thu, 24 Sep 2009 10:23:35 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3378 RuchniewiczFoto: Jörn Neumann

HALLE. Krzysztof Ruchniewicz ist Professor für Zeitgeschichte am Willy Brandt Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Wroclaw und beschäftigt sich mit den deutsch-polnischen Beziehungen und Fragen der Europäischen Integration. Er koordiniert auch das deutsch-polnische Schulbuchprojekt, das Frank Walter Steinmeier als Außenminister angestoßen hat.

„Ich spreche hier viel über die deutsch-polnische Nachbarschaft und unser Verhältnis. Die NPD macht in deutschen Städten an der polnischen Grenze einen stark polenfeindlichen Wahlkampf. Jede polnische Zeitung, jedes polnische Medium berichtet darüber. Die Empörung ist groß, dass die deutschen Gerichte entschieden haben, dass diese Plakate nicht abgehängt werden dürfen. Gleichzeitig wird in der polnischen Presse aber betont, dass es nicht nur eine polnische Gegenreaktion auf diese Plakate gibt, sondern auch auf der deutschen Seite Initiativen entstehen, die sich dagegen wenden. Das bemerkt selbst die nationalkonservative Presse. Es herrscht eine größere Sensibilität auf beiden Seiten vor, und das zeigt, dass das nachbarschaftliche Verhältnis besser geworden ist.

Komisch ist jedoch, dass die Deutschen im Wahlkampf das Thema Europa nicht ansprechen. Polen wurde von Deutschland beim Natobeitritt und beim EU-Beitritt sehr unterstützt. Nun scheint eine Krise eingetreten zu sein, weil man nicht weiß, wie es in Deutschland mit dem Europa-Gedanken weitergehen soll. Was bedeutet das für Deutschland, sind da alle europäischen Fragen erfüllt, oder gibt es neue Fragen, die uns in der Zukunft stärker beschäftigen? Zum Beispiel der Klimaschutz oder die Frage der Energie. Es wäre wichtig, dass man dieses Thema nicht auf das deutsch-russische Verhältnis reduziert, sondern als eine gemeinsame Frage für die Europapolitik begreift. Stellt Deutschland die europäische Perspektive jetzt zurück und handelt stärker bilateral? Eine Fülle von Fragen, die in diesem Wahlkampf nicht thematisiert werden.

Mir fällt auch auf, dass sehr viele Menschen unzufrieden sind, sie bezeichnen etwa Zeitarbeit als verdeckte Arbeitslosigkeit, sprechen über HartzIV. Diese Themen irritieren die Leute. Manche kritisieren den Verfall der Werte, die Diskrepanz zwischen dem, was Politiker sagen und dem, was sie tun. Das hört man, wenn man am Biertisch sitzt und ein bißchen plaudert. Eine Partei wie die Linke, die sich um solche Themen kümmert, hätte in Polen aber keine Chance. Das hängt mit unserer Geschichte des Postkommunismus zusammen, man hat gelernt, kritisch auf die kommunistische Vergangenheit zu sehen, und da kann man nicht die Augen vor verschließen. Die Linke hatte bei uns in den letzten Jahren keinen großen Zulauf.

Wir Polen beneiden dieDeutschen um ihr Sozialsystem, angefangen von der ärztlichen Versorgung bis hin zur Arbeitslosenversorgung. Das haben wir noch nicht erreicht.“

Der Amerikaner – “Die Deutschen lieben Obama, aber hassen Amerika”

Der Holländer – “Den Niedergang der Volksparteien haben wir schon hinter uns”

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“Wir sind hier in Görlitz gegen die NPD” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:38:03 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=269 _MG_6111

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Joachim Otto, wurde 1941 im polnischen Lauban geboren, früher Mitarbeiter bei Wüstenrot, heute Rentner. Herr Otto kam an den Wahlfahrt09-Stand. Auf einem kleinen Zettel hatte er Stichworte notiert und erzählte uns seine Geschichte. Am Ende schenkte er uns noch sein Buch „Meine Wurzeln in Deiner Heimat.“

Ich bin Schlesier. 1945 mußte ich Lauban verlassen, meine beiden Großväter hatten dort eine Taschentuchfabrik. Durch den Krieg sind wir über Niederbayern bei Passau gelandet und dort bin ich aufgewachsen. Heute heißt Lauban Lubań, es liegt 30 km von Görlitz entfernt. Ich bin vor zwei Jahren mit meiner Familie nach Görlitz gezogen und fühle mich auch durch meine Wurzeln hier sehr integriert. Die meisten Görlitzer fühlen sich als Schlesier oder Oberlausitzer, nicht als Sachsen.

Was ich von den Görlitzern über Polen gehört hab, es gibt eine gewisse Zurückhaltung, dort rüber zu gehen. Das hängt wohl auch mit den 40 Jahren DDR zusammen. Mir wurde erzählt, dass zu DDR-Zeiten die Polen tagsüber über die Grenze kamen und Brot und Lebensmittel gekauft haben, und abends kamen die DDR-Leute von der Arbeit und es war alles weggekauft.

Ich würde alles tun, um mit den Polen kooperativer umzugehen. Die Polen sind wirtschaftlich wichtig für Görlitz. In der Berliner Straße zum Beispiel kaufen die polnischen Frauen ihre Kleider und Schuhe, ich glaube, ein Drittel des Umsatzes wird durch die Polinnen erwirtschaftet. Es kann sein, dass die Polen wirtschaftlich hier vorbeiziehen, sie bauen Baumärkte und Konsumtempel, sie schreiben deutsche Texte darunter und sind viel aufgeschlossener den Deutschen gegenüber als die Deutschen den Polen. Die Polen sind sehr ehrgeizig, die Eltern achten auf die Ausbildung ihrer Kinder, schicken sie zum Studieren ins Ausland. Die ersten kommen wieder zurück.

Die NPD macht hier Wahlkampf mit dem Slogan „Poleninvasion stoppen“. Aber wir sind hier in Görlitz gegen die NPD. Ich war einer von 400 Görlitzern, die sich haben abbilden lassen und gesagt haben: Wir wollen die NPD hier nicht. Damit nimmt Görlitz auch Partei für die Polen. Ein Argument für Polenfeindlichkeit ist die Grenzkriminalität. Die gibt es, es wurden Autos, Fahrräder geklaut, aber das sind nicht immer die Polen. Es gibt auch deutsche Kriminelle, die das ausnutzen und als Trittbrettfahrer mitklauen. Aber das hängt auch damit zusammen, dass in der Bundesrepublik die Armut immer schlimmer wird. Also Hartz 4 und Arbeitslosigkeit. Viele junge Leute rennen hier abends randalierend durch die Stadt, unser Auto wurde seitwärts eingetreten, der Spiegel abgerissen. Das waren auch keine Polen.

Viele der Alten bekommen das nicht mehr hin mit den Polen. Aber die Jugendlichen überwinden das, manche Görlitzer gehen in den polnischen Kindergarten, sagen Tschüß auf Deutsch und Dobre auf Polnisch. Ich hab ein Buch geschrieben: „Meine Wurzeln in Deiner Heimat“, es ist ein Verständigungs- und Begegnungsbuch, es soll jetzt auch auf Polnisch erscheinen. Die Polen reagieren sehr positiv, wenn man ihre Heimat als ihre Heimat anerkennt. Ich wünsche mir ein gutes Verhältnis zwischen Polen und Deutschen.

Im Kulturbereich und bei den Kirchen in Görlitz gibt es gute Ansätze, polnische Künstler stellen in der Neiße-Galerie aus, neben dem Jacob-Böhme-Haus gibt es ein Museum und dann die grenzübergreifende Kulturarbeit. Das funktioniert viel besser als politische Aktionen. Ich bin auch im Verein Kulturbrücken e.V.. Da machen 9-12jährige deutsche und polnische Kinder zusammen Zirkus-Workshops. Da ensteht Entspannung und Entkrampfung, die Jugend wächst also zusammen. Jetzt schreibe ich gerade ein Buch über zwei Katzen, eine Görlitzer Katze trifft einen polnischen Kater. Die haben keine Grenzprobleme, sondern ganz normale Katzenprobleme.

Protokoll: Lu Yen Roloff

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“Wir baden aus, was in Berlin vergeigt wird” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:35:00 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=347 CDU

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Thomas Leder ist Görlitzer und seit 1990 CDU-Stadtrat und Vorsitzender des Fördervereins Stadthalle Görlitz e.V.

Welches politische Profil haben Sie?

Ich beschäftige mich mit Bauplanung und dann bin ich im Förderverein Stadthalle Görlitz e.V. Die Stadthalle ist ein Thema, dass die Görlitzer bewegt. Sie spielt in jedem Wahlkampf eine große Rolle. Seit 2004 ist die einzige große Halle zwischen Dresden und Breslau geschlossen. Das Jugendstilgebäude hat eine weltweit einmalige Orgel. Aber die Probleme werden immer größer, sie wieder zu eröffnen. Stadthallen benötigen immer einen Zuschuss. Der liegt bei 200.000 – 400.000 Euro, das ist schwer für eine Stadt wie Görlitz, die einen Nothaushalt hat. Wir haben Museen, ein schönes Theater, ein philharmonisches Orchester und haben Jugendarbeit und den Sport zu unterstützen. Das sind die so genannten „freiwilligen“ Aufgaben – Jugendarbeit, Sozialarbeit, Sport und Kultur.

Wir im Förderverein können informieren, fragen, ansprechen, mahnen. Aber wir können noch nicht einmal andeutungsweise die 25 Millionen Investition aufbringen, die für den Erhalt der Halle nötig sind. Wir können nur die Politik darauf hinweisen, jetzt oder nie. Die Sache anzugehen wird in keinem Jahr besser, Investition und Zuschuss werden nie besser werden, die Kosten steigen eher von Jahr zu Jahr. Deswegen ist jegliches Warten eigentlich unlogisch.

Wie ist es Görlitz seit der Wende ergangen?

Görlitz war eine Stadt, die zwar im Krieg kaum zerstört wurde, aber eine ruinöse Bausubstanz hatte. Hier war fast jede Fassade grau und die Altstadt war nur noch zu einem ganz geringen Prozentsatz bewohnt. Jetzt ist es die schönste Stadt Deutschlands, wie Prof. Kiesow, der Vorsitzende der deutschen Stiftung für Denkmalschutz, sagt. Wer die blühenden Landschaften in Görlitz nicht sieht, der lebt in einer Parallelwelt. Wir sind wirklich aus Ruinen auferstanden, hier haben die Zuschüsse aus dem Solidarpakt wirklich gegriffen. Jetzt kommt die Kehrseite: Dadurch, dass eine Innenstadt da war mit leerstehenden Wohnungen und der Sozialismus dazu Satellitenstädte baute, haben wir jetzt hohe Leerstände, das ist ein Problem.

Ein weiteres großes Problem war bis vor wenigen Jahren die Lage an der polnischen Grenze, die sich langsam bessert. Wer hier selbstständig ist, bekommt zum halben Radius keinen Auftrag. Man kann sich meist nur zu einer Seite der Neiße orientieren. Denn noch geht das wirtschaftliche Zusammenwachsen mit Polen sehr langsam. Es gibt auch Schwierigkeiten mit der Grenzkriminalität. Da müßte auch der Staat auch eine Zeitlang noch Polizisten zuführen, statt wie jetzt BGS-Truppen abzuziehen. Gerade Kleinkriminelle lassen sich von mehr Polizei abschrecken. Das größte Problem ist die Arbeitslosigkeit, bei der die Kommune einen guten Rahmen bieten muss.

Nach welchen Kriterien entscheiden die Wähler ihrer Meinung nach?

Mit Sachthemen ist es ganz schwer, Politik zu machen, die Leute wählen oft nach dem Bauch. Das Problem ist, dass das Wissen um die Probleme eine gewisse Detailkenntnis verlangt, die oft nicht da ist. Wenn der Wähler sich nicht hinsetzt und in der Tagespresse verfolgt, welche Lobby kämpft warum gegen wen, kann er gar nicht verstehen, worüber er abstimmt. Er kann die Parteiprogramme nicht verstehen, machen sie mal ne Umfrage, wer ein Wahlprogramm gelesen hat.

Wie sind ihre Eindrücke als Politiker, was entscheidet in Görlitz die Wahlen?

Die Kommunalpolitik ist immer hautnah dran an den Leuten und wir baden aus, was in den Berlin vergeigt wird. Die Leute schauen viel nach Berlin, Kommunales und Bundesweites wird immer vermischt. Ein großes Thema ist die Gesundheitsreform, das merken die Leute tagtäglich, dass sie zuzahlen, dass die Medikamente kleinere Packungsgrößen haben, die Wartezeiten beim Arzt sich der DDR-Zeit annähern. Neulich wollte ich einen HNO-Termin, da hätte ich sechs Wochen warten müssen. Gesundheit ist ein ganz heißes Thema und ärgert die Leute jeden Tag.

Für die Kommunalpolitik ist schwierig, weil wir mit immer weniger Geld auskommen müssen. Die Einrichtung von Kitas bedeuten Millionen an Mehrkosten, woher nehmen? Wir sollen Jugend- und Sozialarbeit machen und haben kein Geld, können uns Kulturarbeit nicht mehr leisten. Und wie soll man aus diesem Topf für sogenannte „freiwillige“ Aufgaben noch die Stadthalle finanzieren? Dabei ist Kultur auch ein weicher Standortfaktor, gerade für den Mittelstand. Und der bringt die meisten Jobs.

Interview: Lu Yen Roloff

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NPD-Plakatwelle macht Polen und Deutsche wütend http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/npd-plakatwelle-macht-polen-und-deutsche-wutend/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=npd-plakatwelle-macht-polen-und-deutsche-wutend http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/npd-plakatwelle-macht-polen-und-deutsche-wutend/#comments Sat, 15 Aug 2009 08:12:07 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=964 Erschienen am 21.8.2009 auf Spiegel Online

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Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Fremdenfeindliche Parolen an der deutsch-polnischen Grenze: Vor der sächsischen Landtagswahl überschwemmt die NPD die Europastadt Görlitz mit ihren Plakaten. Die Bürger wehren sich – doch die Aktionen drohen das ohnehin fragile Verhältnis der Nachbarländer in der Region zu gefährden.

“Wissen Sie, was hier steht?”, ruft Frank Gotthilf und fuchtelt mit der polnischen Zeitung “Gazeta Powiatowa”. Neben ihm steht der Pole Mariusz Klonowski, Redakteur der Zeitung und tippt auf die Schlagzeile: “Die Würde der Polen ist verletzt!” Und übersetzt weiter: “Wie die Deutschen ausnahmslos von uns die Beachtung der Vorschriften in Deutschland verlangen, so müssen wir von ihnen ausnahmslos die Achtung unserer Rechte in Europa verlangen.”

Die beiden Mitglieder des deutsch-polnischen Unternehmervereins Innovation Neiße Region sind zum Wahlfahrt09-Stand gekommen, um die polnischen Reaktionen auf die NPD-Plakate zu schildern, die überall im Stadtraum hängen. Mit den Slogans “Poleninvasion stoppen” und “Ausländer raus” versucht die NPD in der Grenzstadt Görlitz, einen Keil zwischen Deutsche und Polen zu treiben.

Besonders perfide wirken die fremdenfeindlichen Plakate in den Straßen entlang der Neiße: Am anderen Ufer des Flusses liegt die polnische Nachbargemeinde Zgorzelec. Damit sind die Plakate ein direkter Affront für jeden Polen.

Täglich passieren Tausende Deutsche und Polen die Brücke am Grenzübergang, um auf der anderen Seite einzukaufen und zu arbeiten. Kontrollen gibt es nicht mehr – der Wechsel zwischen den Ländern ist zur Routine geworden. Touristen erkennen die Europastadt Görlitz/Zgorzelec auf den ersten Blick kaum als zweigeteilt. Auf beiden Seiten der Neisse sitzen Menschen in Cafés und auf Uferbänken, eine Fußgängerbrücke führt unterhalb der Altstadtmauern über den Fluss. Nur unmittelbar hinter der Grenze locken auf polnischer Seite grellbunt beschilderte Kioske mit günstigen Zigaretten, die Stange für 27 Euro.

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“Wissen Sie, wie das dem Image von Görlitz schadet?”, erbost sich Frank Gotthilf. Görlitz/Zgorzelec lebt vom gegenseitigen wirtschaftlichen Austausch. Viele Polen seien sehr wütend, bis nach Warschau seien die Beschwerdebriefe inzwischen gelangt. Bis zu fünfzig Prozent der Umsätze in hochpreisigeren Görlitzer Geschäften würden von polnischen Einkäufern stammen.

Rund 2000 Polen haben Wohnungen in Görlitz, es gibt gemeinsame Kindergärten, Jugendclubs und zweisprachige Theaterstücke, sagt Gotthilf. Nun bedrohe die NPD-Kampagne grenzüberschreitend tätige Unternehmer. Gotthilf und Klonowski haben deswegen eine Verfassungsbeschwerde gegen die NPD eingereicht, sie berufen sich darin auf Artikel 14 der sächsischen Verfassung: die Menschenwürde.

Besonders brisant finden Klonowski und Gotthilf die fremdenfeindlichen NPD-Plakate für das Image der Stadt Görlitz als “Europastadt”. Die sächsisch-polnische Grenzstadt bewarb sich um den Titel “Europäische Kulturhauptstadt 2010″ und präsentierte sich mit deutsch-polnischen Kultur- und Bildungsangeboten. Insgesamt rund zwei Millionen Euro wurden von 2002 bis 2006 in das eigens eingerichtete Büro gepumpt.

“Die Kampagne ist ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die hart daran arbeiten, dass aus den zwei getrennten Hälften eine gemeinsame Europastadt wird”, sagt auch Matthias Vogt vom Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen. Die Strategie der NPD in Görlitz beruhe auf Vorurteilen der Görlitzer Bevölkerung aus DDR-Zeiten. 1981 habe die polnische Regierung aufgrund der erstarkenden Gewerkschaft Solidarnosc ein mehrmonatiges Kriegsrecht in Polen verhängt. Zuvor war die Grenze von 1972 bis 1980 geöffnet. Dass die Polen damals die Waren in den grenznahen Läden quasi leergekauft hätten, sei bis heute “tief in den Hinterköpfen verankert”.

“Ein ganz gefährlicher Mann”

Die Plakatflut der NPD suggeriere eine viel stärkere Präsenz der Partei in der Stadt als real vorhanden sei. Nur etwa zwei Prozent der Görlitzer sind “echte Braune”, schätzt Vogt. Diese versuchen an jene unter den älteren Görlitzern zu appellieren, die als Kriegsflüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Ihre Nachkommen redeten bis heute von Niederschlesien und meinten damit ihre verlorene schlesische Heimat. Hinzu kämen die “dumpfen Verlierer”, die sich der Schnelligkeit des heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftslebens nicht gewachsen fühlten. Weil die Linke für Protestwähler zu wenig Potential biete, hätten bei der vergangenen sächsischen Landtagswahl vor fünf Jahren 9,7 Prozent die NPD gewählt.

Die Kampagne der Rechtsextremisten bewertet Vogt als Verzweiflungstat. Denn die NPD habe in den letzten fünf Jahren “der Welt nachdrücklich bewiesen, dass sie weder intellektuell noch rhetorisch als Fraktion auftreten könne. Und in dieser Situation setzt die Görlitzer NPD systematisch auf Fremdenängste und hat entsprechend plakatiert”.

Knapp 2700 Stimmen haben Görlitzer Wähler dem NPD-Mitglied Andreas Storr bei den Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 gegeben und ihn damit in den Stadtrat gewählt. Andere Stadträte beschreiben ihn als “ganz gefährlichen Mann”, der parlamentarische Prozesse nutze, um die Arbeit des Stadtrats zu blockieren, etwa in dem er ansonsten einstimmige Beschlüsse behindere und demokratische Prozesse so unnötig verlangsame. Zudem störe er Diskussionen mit NPD-Parolen.

600 Plakate gegen die NPD

Zwar habe der Stadtrat einstimmig beschlossen, den NPD-Mann Storr politisch zu isolieren, sagt Andreas Teichert von der unabhängigen Wählervereinigung “Bürger für Görlitz”: “Der Mann soll merken, dass er bei uns keinen Rückhalt und keine Zustimmung findet.” Doch die Nationaldemokraten in Görlitz bleiben aktiv. Sie demonstrierte jüngst gegen die Wehrmachtsausstellung und gibt das NPD-Blatt “Blickpunkt” in einer Auflage von 70.000 Stück heraus.

“Görlitz sagt Nein! zur NPD” verkünden deshalb dicke weiße Buchstaben auf schwarzem Hintergrund seit rund einer Woche überall in der Stadt. Initiiert vom Verein “Aktionskreis für Görlitz” haben sich Bürger mit einer Plakataktion gegen die NPD gewehrt. Einzelpersonen, Parteien und Vereine spendeten Gelder, um 600 Plakate in der Stadt und an den Einfallsstraßen aufhängen zu lassen. Bürgermeister Michael Wiehler traf sich auf der Brücke am Grenzübergang mit dem polnischen Bürgermeister und übergab symbolisch ein Anti-NPD-Plakat.

Es ist bereits die zweite Anti-NPD-Kampagne der Stadt innerhalb weniger Wochen. Erst vor kurzem hatte die “Sächsische Zeitung” 400 Porträts von Görlitzern abgedruckt, die sich unter ihrem Namen gegen die Partei aussprachen. “Wir Görlitzer Bürger sind gegen die NPD”, fasst Joachim Rudolph vom Aktionskreis für Görlitz zusammen. “Wir bekommen täglich Anrufe von Bürgern, die unsere Kampagne unterstützen.” Auch wenn die NPD die Lage anders darstelle: “Es gibt eine Menge Normalität an dieser Grenze.”

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Jugendhaus Basta! Görlitz http://www.wahlfahrt09.de/orte/jugendhaus-basta-gorlitz/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jugendhaus-basta-gorlitz http://www.wahlfahrt09.de/orte/jugendhaus-basta-gorlitz/#comments Fri, 14 Aug 2009 14:49:55 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=821

GÖRLITZ. Früher besetztes Haus, heute vom Jugendamt gefördertes Projekt: Im “Basta!” treffen sich deutsche und polnische Jugendliche. Sonst ist nicht viel los für sie in Görlitz. Unser Wahlfahrt09-VJ Jens Christian Kage im Gespräch mit drei Görlitzern, die im “Basta!” aktiv sind.

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Tagebuch: Welcome to Görlitz http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/welcome-to-gorlitz/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=welcome-to-gorlitz http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/welcome-to-gorlitz/#comments Fri, 14 Aug 2009 08:14:34 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=172 _MG_6163

Foto: Michael Bennett

Auch in Görlitz wurden wir von Kollegen von der Lokalpresse angekündigt, so dass gleich am ersten Vormittag eifrige Neu-Görlitzer mit Jutetaschen voller Info-Material zu uns auf den Postplatz gekommen sind und ihre Geschichten erzählen. Viele handeln von Flucht und Vertreibung, fetten Jahren im Wirtschaftswunderland der BRD und der Rückkehr als Rentner „back zu den roots“, wie es Herr Otto sagt.

Herr Otto wurde vor 68 Jahren in einem Ort 30 Kilometer östlich von Görlitz geboren, im heutigen Luban, und erfüllt sich heute einen Traum, unter anderem in dem er Kutschfahrten durch die niederschlesische Landschaft unternimmt. Er hat Polnisch-Kurse an der Volkshochschule belegt und engagiert sich in deutsch-polnischen Vereinen, denn die Verständigung zwischen den beiden Ländern ist ihm wichtig.

Herr Otto ist keine Ausnahme hier, es gibt mehr Zuzüge als Fortzüge in der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Während die Jugend dorthin geht, wo es mehr Arbeit gibt, kommen Kulturinteressierte Rentner aus ganz Deutschland in die pittoreske Stadt, um hier zu günstigen Mieten in schönen Altbauten zu leben. Ein Projekt der Technischen Universität hat in einer Studie zur Lebensqualität Menschen in Gründerzeitgebäuden eine Woche „Probe-Wohnen“ lassen. Aus der Umgebung von Görlitz, auch aus Polen und aus ganz Deutschland kamen Bewerbungen, einige der Tester sollen tatsächlich nach Görlitz umgesiedelt sein, darunter auch zwei Familien.

Darüber wollen wir morgen mehr herausfinden, auch wie es ist, als Jugendlicher hier zu leben, wie der Zuzug der Rentner hier aufgenommen wird. Ob die eher an Aquarellmalen interessiert sind oder sich auch politisch einmischen und engagieren. Herr Otto zum Beispiel demonstriert gegen die NPD. Aber jetzt wird es kalt auf dem Postplatz und die anderen sind schon auf dem Campingplatz und kochen. Hoffentlich regnet es nicht so viel in der letzten Nacht, sonst hat die Wahlfahrt-Crew keine trockenen Klamotten mehr.

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