Wahlfahrt09 » Linkspartei http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 Wahlfahrt09 – das war’s http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlfahrt09-das-wars http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/#comments Mon, 28 Sep 2009 13:29:07 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3404

20090928_wahlfahrt09_reichstag

Foto: Jörn Neumann

DEUTSCHLAND. Deutschland vor der Wahl jenseits der politischen Ballungszentren erleben – die Wahlfahrt09 reiste in 50 Tagen durch 20 Orte im Norden, Süden, Osten und Westen Deutschlands: Dabei führte die Tour über Eisenhüttenstadt hinunter nach Konstanz, über Leidingen nach Duisburg-Marxloh, in den hohen Norden nach Breitenfelde und Wismar, übers Wendland und schließlich nach Haldensleben in der Börde.

Am Wahlfahrt09-Stand zwischen den Fachwerkhäusern der Altstadt Haldensleben. Wochenlang haben wir gewartet, um 18 Uhr sind die Prognose und die ersten Hochrechnungen da: Mehrheit für Schwarz-Gelb. Ein Passant mit Sonnenbrille und Eishörnchen kommentiert: “Also ich hab die nicht gewählt.” Auch das Team der Wahlfahrt09 ist überrascht – denn Menschen, die CDU und FDP nahe stehen, haben wir auf unserer 50-tägigen Reise durch 20 Orte kaum getroffen.

Ein Rückblick auf einen Wahlkampfbesuch auf dem Heumarkt in Köln vor zwei Wochen: An diesem Abend wird Steinmeier auftreten, schon am frühen Nachmittag prangt der überdimensionale SPD-Würfel auf dem leeren Platz. Die Volkspartei gibt sich modern und interaktiv: Die Jusos haben junge Frauen angestellt, die andere Frauen mit einem „Ich kann Aufsichtsrat“-Schild fotografieren. An einem Touchscreen lassen sich personalisierte Wahlkampfprogramme ausdrucken. Eine Hartz-IV-Empfängerin humpelt über den Platz. Nach zwei Bandscheibenvorfällen kann die ehemalige Fleischerin nicht mehr arbeiten. Sie will sich Steinmeier nicht ansehen, denn die Politiker, sagt sie, lügen doch alle.

Viele sehen keine Perspektive mehr

„Wir dürfen das Ziel der Vollbeschäftigung nicht aufgeben“, tönt Steinmeier am Abend auf dem Höhepunkt seiner Wahlrede. Es wirkt antrainiert, ein reiner Slogan. Selbst Stammwähler der Partei, die in einer Kneipe am Rand sitzen, überzeugt das nicht. In ganz Deutschland gibt es zur Zeit 3,47 Millionen Arbeitslose, Tendenz steigend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen steht in jedem Parteiprogramm – bei einigen auch gemeinsam mit dem kleinen Bruder der Vollbeschäftigung, dem Mindestlohn. Menschen wie die Fleischerin treffen wir oft auf der Wahlfahrt: Die sich von niemandem repräsentiert fühlen, die vieles verloren haben, die keine Perspektive mehr für sich sehen.

In Wismar sind durch die Schließung der Werft 1200 Menschen in Kurzarbeit. In Halle hat der Strukturwandel ganze Stadtteile entvölkert. Die Krise findet sich sogar in wohlhabenden Kommunen wie Konstanz – dort waren in diesem Jahr die Campingplätze ausgebucht, weil viele Deutsche kein Geld mehr für den Auslandsurlaub haben. Selbst in Wiesbaden mit seiner hohen Millionärsdichte stehen die Arbeitslosen trotz öffentlichem Trinkverbot in den Seitenstraßen.

Deutsche Problemecken

In Duisburg-Marxloh, wo türkische Brautmodenläden viele deutsche Geschäfte verdrängt haben, bevölkern vor allem Deutsche die „Problemecken“ des Stadtteils. So nennt der dortige CDU-Bürgermeister Adolf Sauerland die deutschen Drogenabhängigen auf den Bänken am Marktplatz, die seit der Schließung der Fixerstube keinen Anlaufpunkt mehr haben. In der Marktklause gegenüber von unserem Stand sitzen schon früh morgens die Alkoholiker und trinken ihre Schnäpschen zu lauter 80er Jahre Schlagermusik. Zwischen denWahlkampfplakaten von Linkspartei und SPD hängen Schilder mit dem Slogan „Aufbau Duisburg statt Aufbau Ost“.

Diese Beobachtungen sind zum Teil natürlich auch dem Konzept der Wahlfahrt09 geschuldet: Wir parken an zentralen Plätzen der Stadt, arbeiten dort an Biertischen unter freiem Himmel. Natürlich treffen wir also vor allem Leute, die keinen Ort haben, an dem sie sein müssen: Arbeitslose, Rentner, Obdachlose. Ihre Probleme bekommen wir auf der Wahlfahrt09 besonders häufig mit. Viele sind unzufrieden: Sie bekommen zu wenig Rente, zu wenig Hartz IV, reden sich in Rage, werden laut, deuten mit Zeigefingern auf uns, wenn sie die Politiker beschimpfen, mal als Abzocker, mal als Lügner, mal als Verbrecher.

Aufbau Ost, Abbau West

Das ist 20 Jahre nach der Wiedervereinigung im Osten wie im Westen gleich. In Eisenhüttenstadt, wo seit der Wende tausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind, wird gerade für 630 Millionen Euro ein neues Papierwerk gebaut, gefördert mit Mitteln der EU – ein Tropfen auf den heißen Stein, gerade mal 600 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Im niederfränkischen Hof leiden die Betriebe unter der Konkurrenz aus dem Osten, die noch gefördert wird – während im Westen, wo nichts zu fördern ist, das Problem der Arbeitslosigkeit viel stärker zu Tage tritt.

Dort lässt sich die Arbeitslosigkeit noch nicht einmal mit dem Versagen des Sozialismus erklären. Unsere Reise macht deutlich, dass die gesellschaftlichen Veränderungen und die Verwerfungen in der internationalen Arbeitsteilung viel weiter reichen, als es die Deutschen wahrhaben wollen. Mag sein, dass Deutschland Exportweltmeister ist, dass eine zukünftige Bildungsoffensive oder der Ausbau regenerativer Energien und grüner Technologien zukünftige Generationen beschäftigen wird – aber Hunderttausende sind im Hightechland überflüssig geworden. Sie sitzen jetzt in den Problemecken, lungern vor dem Supermarkt herum, sammeln Flaschen und durchwühlen Mülleimer.

Engagement und Gesicht zeigen

Doch es gibt auch Lichtblicke: Es kommen viele engagierte Menschen zum Wahlfahrt09-Stand. Sie arbeiten ehrenamtlich für Bürgerinitiativen, den städtischen Sicherheitsdienst in Görlitz oder als Sporttrainer im Wismarer Kanuverein. Menschen, die sich für konkrete Anliegen engagieren: Der Rentner, der sich für das deutsch-polnische Verhältnis in der Grenzstadt Görlitz-Zgorzelec einsetzt und gegen die NPD Gesicht zeigt; der Azubi, der in seiner Freizeit im Bürgerradio die Spitzenkandidaten des Landtags interviewt oder die Studenten vom Postkult e.V. in Halle-Glaucha, die mit einem Gemeinschaftsgarten gegen den Leerstand in ihrem Stadtteil ankämpfen und die Bürger dort wieder zusammen bringen wollen. Viele von ihnen sind Bildungsbürger, Rentner, Akademiker und Studenten.

Auf eine Bewegung der sozial Schwachen treffen wir aber nicht. Ein LKW-Fahrer, den wir auf einem Rastplatz trafen, drückte es so aus: „Wir könnten ja mal demonstrieren gehen. Aber dafür geht es uns wohl noch nicht schlecht genug.“ Nur einige Hartz-IV-Empfänger in Wiesbaden machen den Gegenangriff auf die öffentliche Wahrnehmung: Die „Initiative neue soziale Gerechtigkeit“ plakatiert alle zwei Wochen die Stadt mit schwarzweißen Postern, auf denen sie von Schikanen, Demütigungen und rechtswidriger Behandlung von Hartz IV-Empfängern sprechen und die Mitarbeiter zuständiger Behörden namentlich anprangern. Mehrheitsfähig sind sie mit ihrem umstrittenen Vorgehen aber nicht.

Ganz besonders leise sind die Frauen. Wir sprechen Passantinnen gezielt an, weil von selbst immer nur die Männer kommen. Sie sagen zwischen den Zeilen, dass sie in der Krise Besseres zu tun haben als zu politisieren. Wer soll sich um Kinder und Haushalt kümmern, wenn die Männer auf den Straßen abhängen? Wie das Überleben sichern? Manch eine gesteht, dass es ohne die Lebensmittelspenden von der Tafel nicht ginge.

Afghanistan, Europa und Außenpolitik sind kein Thema

Wohl auch, weil die Bundeswehr ein sicherer Arbeitgeber ist, gibt es von den Menschen, die im Bundeswehrstandort Sigmaringen leben, kaum Kritik am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Nur selten gab es so etwas wie grimmige Solidarität und Unterstützung für “unsere Jungs da unten”. Für viele junge Männer sind die Bonuszahlungen für Auslandseinsätze eine willkommene Einnahmequelle, auch wenn nur wenige wirklich vom Sinn des Einsatzes überzeugt sind. Afghanistan ist ein Thema, das weder im Wahlkampf noch in unseren Gesprächen an vorderster Stelle stand. So war es auch mit anderen außenpolitischen Fragen, etwa wie Deutschland sich innerhalb Europas positioniert.

Aus der Perspektive der ausländischen Wahlbeobachter, die wir am Rande eines Wahlauftritts von Gregor Gysi in Halle trafen, ist besonders die wichtigste Frage im Wahlkampf ausgeklammert worden: Wie die Wirtschaftskrise und das Arbeitslosenproblem eigentlich konkret gelöst werden sollen, sobald die Wahl vorbei ist. Der Franzose Jay Rowell wundert sich: „Es müssen schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen.“ Offenbar gebe es einen Konsens, „diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen.“

Auch sein holländischer Kollege Ton Nijhuis wundert sich über den Wahlkampf: Wenn viele Menschen nicht daran glaubten, dass die Politik die Arbeitslosigkeit bekämpfen könne, werde das von den Wahlforschern als „Politikverdrossenheit“ interpretiert: „Ich würde sagen, das ist Realismus erwachsener Bürger, die genau wissen, dass man viele Versprechungen aus dem Wahlkampf nicht einhalten kann.“

Die Wahlfahrt09-Analyse

Gleichzeitig fischt Gregor Gysi auf dem Hallenser Marktplatz nach Proteststimmen: „Selbst wenn Sie Grüne oder SPD wählen wollen – wenn Sie wollen, dass diese Parteien wieder sozialere Politik machen, müssen Sie die die Linke wählen.“ Protest wählen scheint vielen Menschen die letzte Lösung zu sein: Linkspartei, NPD oder ungültig stimmen.

Die politische Stimmung im Land, das ist das Fazit der Wahlfahrt, ist stark abhängig von der ganz persönlichen Lebenssituation der Menschen. Die Grünen wählen diejenigen, die unter Flugschneisen und in der Nähe des Atommüll-Zwischenlagers in Gorleben wohnen.

Und so betrachten wir am Ende unserer Reise das Wahlergebnis aus der Perspektive unserer Gesprächspartner: Zwar hat die Koalition aus CDU und FDP genug Stimmen bekommen, um das Land zu regieren. Aber nimmt man die rund 30 Prozent Nichtwähler und die vielen Protestwähler zusammen: Dann stehen hinter diesem Wahlergebnis vor allem Millionen Deutsche, die ein Gefühl eint: Keine Wahl gehabt zu haben.

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„Niemand redet darüber, wie die Krise nach der Wahl bewältigt werden soll“ http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/#comments Thu, 24 Sep 2009 14:33:53 +0000 Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=3455 Foto: Jörn NeumannFoto: Jörn Neumann

HALLE. Jay Rowell ist seit 2001 Forscher in Politische Soziologie an der Centre National de Recherche Scientifique (CNRS). Er leitet seit 2007 das Strassburger Forschungsinstitut Groupe de Sociologie Politique Européenne (www.gspe.eu) und ist seit 2006 stellvertretender Direktor vom Centre interdisciplinaire de recherches et d’études sur l’Allemagne. Seine Forschung und Lehrtätigkeit betrifft die Soziologie des Staates, Politisierung und Studien über die Sozialpolitik in Europa und in der EU.

Viele Deutsche finden den Wahlkampf langweilig. Sie auch?

Ja, jeder spielt ziemlich defensiv. Mich erstaunt es besonders, dass gerade die kleinen Parteien nicht in die Offensive gehen. Dabei könnten sie gegenüber der großen Koalition so gut punkten.

Sie haben Westerwelle, Künast und Gysi gesehen – sind die nicht laut?

Westerwelle ist natürlich am lautesten, den habe ich gestern in München gesehen. Er hat von Steuersenkungen gesprochen, war aber nicht überzeugend: Es gab keine konkreten Aussagen, was er in einer schwarz-gelben Koalition machen wird. Es wurden alle Themen angesprochen, Bildung, Wirtschaft, die klassischen Themen der FDP, aber gerade bei Wirtschaftsliberalismus hätte ich mehr erwartet. Der Diskurs bleibt im Allgemeinen und sehr abstrakt, man hätte auch mehr Beispiele nehmen müssen. Das fehlt bei eigentlich allen bis auf Gysi.

Wie erklären Sie sich die Friedlichkeit der Parteien?

Das hat zum Einen mit der Wirtschaftskrise zu tun, die in der Großen Koalition gemeinsam bekämpft wurde. So können weder SPD noch CDU heute sagen, sie würden alles anders machen.  Und zum Anderen hat es mit der politischen Kultur zu tun: Es geht sehr viel um Kompetenz und Sachlichkeit. Das hat man im Kanzlerduell gesehen, da blieb die Diskussion immer sehr sachlich, es fehlte an Emotionen, Bildern und Symbolen. Vielleicht wagt man wegen der deutschen Vergangenheit nicht, populistisch oder emotional zu punkten.

Es fehlen also die strittigen Themen.

Was mich sehr erstaunt ist, dass es in dieser Debatte gar nicht so sehr darum geht, was nach der Wahl kommt. Die Krise ist ja schon ein Jahr alt, und auch wenn es langsam wieder aufwärts geht, kommt erst Morgen die schmerzhafte Entscheidung, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen. Es gibt offenbar einen Konsens, diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen. 2005 hat die CDU das gemacht und fast verloren. Hier müssten die Journalisten die Kandidaten herausfordern und nachfragen, wie etwa Steuersenkungen finanziert werden sollen. Westerwelle sagt, das würde die Wirtschaft ankurbeln und sich dadurch refinanzieren, aber weiß seit Reagan 1981, dass das nicht funktioniert. Aber auch die SPD sagt nicht, wie es weitergehen soll, die Grünen mogeln sich um das Thema herum, und Merkel ist ebenfalls in der Defensive und hat Angst, den Wahlsieg noch zu verspielen.

Ist dieser Konsens-Wahlkampf typisch deutsch?

In Deutschland herrscht Konsens: Die Krise ist von außerhalb gekommen, es gibt zwar strukturelle Probleme, aber keine Schuldzuweisungen, nur bei den Linken findet man das. In Frankreich gibt es Versuche, die Schuld für die Krise auf nationaler Ebene anderen zuzuschieben: Weil angeblich Sarkozy und seine Vorgänger Deregulationspolitik betrieben haben.

Würden Franzosen Merkel oder Steinmeier wählen?

Ganz bestimmt nicht! Wobei in Frankreich im Grunde genommen Wahlen wie in Deutschland gewonnen werden: Man verspricht viel, das man hinterher nicht einhalten kann. Nur populistischer. Diese Bescheidenheit der beiden Kandidaten, das wäre in Frankreich unmöglich. Ein aufgeblähtes Ego ist sogar beliebt. Man sucht jemanden, der entscheiden kann, der durchsetzungsfähig ist und viel verspricht, das hat damit zu tun, dass der französische Präsident viel allein entscheiden kann, in Deutschland müssen die Politiker zusammenarbeiten und konsensfähig sein. Das erzeugt dann verschiedene politische Kulturen.

Mit welchen Themen könnte Steinmeier noch punkten?

Ich würde auf die Ängste abzielen, dass die FDP oder Schwarz-Gelb den Sozialstaat abbauen oder Steuern nur für die obere Schicht senken wollen. Das Problem ist, dass die SPD mit Hartz IV Reformen gegen den kleinen Mann gemacht hat, das muss sie jetzt anders machen. Und Steinmeier hat das alles mit entschieden. Daran wird die SPD noch lange zu knabbern haben.

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Die Wahl im internationalen Blick http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/die-wahl-im-internationalen-blick/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=die-wahl-im-internationalen-blick http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/die-wahl-im-internationalen-blick/#comments Thu, 24 Sep 2009 11:17:15 +0000 Lu Yen Roloff, Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=3384 GruppeWahlbeobachter bei GregorGysi

Foto: Jörn Neumann

HALLE. Wir von der Wahlfahrt09 sind nicht die einzigen, die im Vorfeld der Bundestagswahl durch das Land reisen. Von unserer vorletzten Station Magdeburg machten wir einen kleinen Abstecher nach Halle, um dort ein internationales Wahlbeobachterteam zu treffen, das im Auftrag des Deutschen Akademischen Auslanddienstes unterwegs ist: 18 Wissenschaftler aus 18 Ländern, Politologen und Historiker mit dem Spezialgebiet Deutschland. Sie sind in Halle, um dem Wahlkampfabschluss der Linkspartei beizuwohnen und Gregor Gysis Rede zu hören. In den Tagen zuvor hörten sie bereits Renate Künast und Guido Westerwelle, den Wahltag erleben sie in Berlin – und werten dann die Reise gemeinsam aus. Vorab gaben uns die Wissenschaftler aus der Türkei, den Niederlanden, Frankreich, Argentinien, Polen und den USA schon eine kurze Zwischenbilanz ihrer Beobachtungen vor ihrem jeweiligen Hintergrund.

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Foto: Lu Yen Roloff

WISMAR. Deutschlandweit ist die Werftindustrie von der Wirtschaftskrise betroffen. Die Wismarer Wadanwerft ging im September insolvent. Seither sind in der Stadt 1200 Menschen vorrübergehend bei staatlichen Transfergesellschaften beschäftigt, das Werftgelände stillgelegt. Kurz vor der Wahl wurde nun die Werft an den russischen Investor Igor Jussufow verkauft. Wie kommt der Wahlkampf bei den Wismarern in dieser Situation an?

Wismar, die alte Hansestadt an der Ostsee. Touristengruppen schlendern langsam über den Marktplatz, auf dem die Wahlfahrt09 ihren Stand aufgebaut hat. Dass Wahlkampf ist, sieht man nicht – die Stadt, deren Zentrum zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, hat sich, wie es in der Pressestelle heißt, aus „ästhetischen Gründen“ gegen jede Form von Werbung im historischen Zentrum entschieden. Erst in der so genannten „Welterbe-Pufferzone“ am Hafen beginnen die Plakatierungen der Parteien.
Wahlkampf fände in Wismar praktisch nicht statt, sagt auch Katharina Glücklich, Besitzerin eines kleinen Cafes in der Wismarer Altstadt. „Vielleicht werden mal irgendwo ein paar Fähnchen verteilt, mehr aber auch nicht.“ Generell sei die Stimmung jedoch wieder besser in der Stadt, seitdem der russische Investor Igor Jussufow die Werft für 40 Mio Euro gekauft habe. Laut Schätzungen der IG Metall Küste sollen von den rund 1200 Arbeitsplätzen in Wismar die Hälfte erhalten bleiben. Doch momentan liegt die Montagehalle der Wadan-Werft brach. Nur fünf Sicherheitsleute bewachen das Gelände, die anderen Mitarbeiter warten zuhause darauf, wie es weitergehen soll. Wie kann Wahlkampf in dieser Situation stattfinden? Und was denken die Wismarer Bürger über die Krise? Das Team der Wahlfahrt09 schwärmte in die Stadt aus und sprach mit den Wismarern über ihre Situation.

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Foto: Milos Djuric

Der stellvertretende Bürgermeister

Die Wege der kommunalen Politik in Wismar sind kurz und unbürokratisch. Ob die Oberbürgermeisterin von Wismar Rosemarie Wilcken (SPD) zu sprechen sei, wollte die Wahlfahrt telefonisch vom Pressesprecher der Stadt wissen. Der winkte aus seinem Bürofenster im dritten Stock des Rathauses den Wahlfahrern auf dem Marktplatz zu. Nein, Frau Wilcken sei leider verhindert, aber ihr Stellvertreter Thomas Beyer (SPD) sei da. Etwa eine halbe Stunde später kommt Beyer strammen Schrittes über den Marktplatz gelaufen und setzt sich zum Gespräch ans den Stand. Die Werftinsolvenz sei ein Schock für die Stadt gewesen, andererseits hätte Wismar schon mehrere Werftenkrisen überstanden, sagt er. In so einer Situation müssten sich die Parteien jetzt anstrengen, bei der Bevölkerung von Wismar zu landen. Besonders der Wahlkampf sei schwer: “Das Misstrauen der Leute gegenüber einfachen politischen Parolen ist zu spüren.“ Große Wahlkampf-Veranstaltungen würden erfahrungsgemäß gar nicht funktionieren. Auch könne ein Wahlkämpfer um die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit der Stadt nicht herumreden: „Die Leute wollen konkrete Aussagen, was aus dem Standort Wismar wird. Es bringt nichts, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen.“ Dennoch gibt er sich zuversichtlich: „Wir sind krisenerprobt. Die Stadt ist robust und wir können auf die Erfahrung aufbauen, dass sich Engagement lohnt.” Lena Gürtler und Christian Salewski

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Foto: Lu Yen Roloff

Der arbeitslose Schiffbauer

Zischend landen die Würste auf dem Grill vor den alten Kanuschuppen. Seit er arbeitslos ist, verbringt Thomas Fischer viel Zeit in seinem Kanuverein in Wendorf – Kinder trainieren, mit Freunden grillen, selbst aufs Meer rauspaddeln – alles, damit ihm nicht die Decke auf den Kopf fällt. Fischer erinnert sich an seine letzte Nachtschicht in der Montagehalle am 31. Juli. Die Fähre lag zu 85 % fertig im Wasser, am Bug der Schriftzug „Make good times“. In den versteckten Nischen unter Deck habe der ein oder andere ein Nickerchen gehalten – man war ohnehin nur noch pro forma da. Am Schichtende erfuhr Fischer, dass er am nächsten Tag nicht wiederkommen brauche: „Die hatten schlichtweg vergessen, uns Bescheid zu sagen“. Wie viele ehemalige Werftarbeiter wartet Fischer seither auf einen Brief der mit 20,5 Millionen Euro vom Land Mecklenburg-Vorpommern finanzierten Transfergesellschaft, wie es weitergehen soll. Er versuche, Kontakt zu anderen Arbeitslosen zu halten, gehe zu Veranstaltungen der IG Metall. Es gingen viele Gerüchte unter den ehemaligen Arbeitern herum: Dass bereits eine Liste feststünde mit 200 Personen, die wieder beschäftigt werden sollen. „Die Alten und Kranken, die werden aussortiert, klar.“ Fischer hofft auf gute Karten, schließlich sei er erst 40 Jahre alt. Doch Fischer denkt wie viele andere Wismarer, dass der neue russische Besitzer nur Know-How für die vom Unternehmen geplante Werft in St. Petersburg abziehen wolle: „Das wäre dann der Untergang für Wismar“. Die Politik interessiere sich nicht für die Werftarbeiter, ist sein Gefühl: “Opel ist der Regierung wichtiger gewesen.“ Und letztendlich könne sie auch nichts machen: „Die Firma ist Privatbesitz, der kann doch damit machen, was er will.“ Fischer wird die Linke wählen: „Momentan muss Deutschland einfach wachgerüttelt werden – und das kann weder die SPD noch die CDU.“ Lu Yen Roloff

Direktor

Foto: Lu Yen Roloff

Der ehemalige Direktor der Werft

Kleingartenkolonie „Hafenblick“ im Wismarer Stadtteil Wendorf. Dahinter ragt die große Montagehalle der stillgelegten Werft auf. Drei lang verheiratete Ehepaare sitzen bei Zwiebelkuchen und Bier in der Herbstsonne, darunter auch der ehemalige zweite Direktor der Werft. Der Senior kann eisern und mit verschränkten Armen über seinen Namen und seine früheren Aufgaben schweigen, „wegen meiner Frau“, wie er sagt. Die Werft sei zwar seit der Wende immer wieder in der Krise gewesen – aber die jetzige Stilllegung habe eine neue Qualität.
Doch der Wahlkampf gehe wenig auf die aktuelle Krise ein: „Die Plakate sind groß genug, was die wollen, steht drauf – aber was sie am Ende machen können, das kommt dann nach der Wahl“. Er erinnert sich gerne an die Zeit, als die Werft in Wismar nach 1946 als Schiffsreparaturbetrieb der Roten Armee aufgebaut wurde und die Einwohnerzahl der Stadt innerhalb von zehn Jahren von 42.000 auf 55.000 Menschen wuchs. Vor der Privatisierung beschäftigte die Werft noch 6000 Menschen, die Mitarbeiter produzierten auch den Strom und führten jede Reparatur selbst aus: „Davon brauchten wir 1000 Leute gar nicht“, sagt der ehemalige Direktor, „aber wir haben die so mitarbeiten lassen, die waren eingebunden.“ Statt den Menschen Hartz IV zu zahlen, sollte man doch wie damals den Betrieben das Geld geben – und dann eine Arbeitspflicht einführen. Er verschränkt die Arme: „Engels muss man nicht neu erfinden.“ Am Tisch ist man sich einig: „Wir gehen nur zur Wahl, damit die NPD nicht über 5 % kommt.“ Viele Wismarer würden in diesem Jahr wohl die Linke wählen – denn die SPD könne ohnehin nicht alleine regieren. Lu Yen Roloff

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Foto: Lu Yen Roloff

Der Protestwähler

Pitbull Arkie muss Gassi gehen. Heiko P. (32) schlendert über den Radweg, der parallel zur Ostsee zwischen den mit dichten Buchsbaumhecken abgeschirmten Kleingärten entlangführt. Auf der anderen Seite der Bucht rauchen die Schlote seines alten Arbeitgebers Holzegger. Bis letztes Jahr hat Heiko P. dort einen Jahresvertrag gehabt, „gut bezahlt“, sagt er. Dann kam die Wirtschaftskrise und über 50 Leute mussten gehen. Jetzt, wo die Werft 1200 Menschen entlassen habe, sei die Resignation groß unter seinen Freunden.
„Man kämpft sich von Jahr zu Jahr durch“, sagt Heiko P., der vorher im CD-Werk in Dassow gearbeitet hat und dort ebenfalls entlassen wurde. So wie viele Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern hätte auch dieses nur Subventionen abgegriffen: „Die haben für die fünf Millionen Fördergelder erst Sektchen mit dem Wirtschaftsministerium getrunken und dann fünf Jahre später die Firma kaputt gehen lassen.“
Weil er den Vater nach dessen Schlaganfall unterstützen muss, kommt für den gelernten Schlosser nur ein Job in Wismar und Umgebung in Frage. Inzwischen arbeitet er für das Solarzentrum. Schichtarbeit bei einem Dumpinglohn von sechs Euro, 900 Euro mache das im Monat. „Wie soll man davon leben?“ fragt er. „Ich hätte als Proteststimme auch die Linke gewählt“, sagt Heiko P. „Aber die drehen sich doch auch nur nach dem Wind.“ Heiko P. wird dieses Jahr die NPD wählen. Lu Yen Roloff

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Foto: Lu Yen Roloff

Die Mutter

Raus aus der Altstadt, den Berg runter und ins Neubaugebiet. Es ist ruhig zwischen den fünfstöckigen Plattenbauten: Grillen zirpen, von den Balkonen schallt immer wieder Gelächter, zwischen den Häusern hängt die Wäsche zum Trocknen. Früher sei der Kagenmarkt das „Stiefkind“ der Stadt gewesen, inzwischen werde es besser, sagen die Anwohner. Zwar wurden gerade zwei Häuser wegen Leerstand abgerissen, gleich daneben wachsen aber ein neuer Kindergarten und eine Schule. Vor dem Supermarkt sitzt eine junge Frau mit Kinderwagen. Ob sie betroffen von der Kirse ist? „Wie soll sie uns noch treffen?“, antwortet Melanie Konow. „Wir sind sowieso Hartz-IV-Empfänger! Die Chancen auf einen Job sind halt noch schlechter geworden.“ Konow ist 23, hat ein einjähriges Kind, eine Ausbildung als Kauffrau – nur keinen Job. Kürzlich hat sie sich um einen Krippenplatz für ihre Tochter bemüht. „Ich will, dass sie unter andere Kinder kommt und nicht allein auf ihre Bauklötze starrt.“ Als sie beim Amt anrief, erklärte ihr die Sachbearbeiterin: „Sie sind doch arbeitslos und sitzen den ganzen Tag zu Hause. „Darauf habe ich dann gar nichts mehr gesagt.“ Bei ihr im Viertel hängen überall die Wahlplakate der Linken: „Wir kämpfen“ steht dort in dicken Großbuchstaben. Kita-Plätze für alle Kinder ist eine Forderung der Linken. Melanie Konow hat es auf den Plakaten gelesen, später landete noch ein Flyer in ihrem Briefkasten. Die junge Mutter geht dieses Jahr zum ersten Mal wählen, in der Hoffnung auf einen Kita-Platz für ihr Kind. „Mal schauen, ob das klappt, wenn die gewählt werden.“ Ute Zauft

Wismar_Portraits-2Der Pastor

Pastor Roger Thomas öffnet eine schwere Holztür, tritt aus der kühlen Kirche ins Freie. In dem kleinen Pfarr-Hof spielen seine Kinder, dahinter steigen die dunkelroten Backstein-Mauern der Kirche empor. St. Nikolai erhebt sich schon von weitem sichtbar über Wismar. Seit mehr als sieben Jahrhunderten steht die Kirche dort, heute gehören noch 700 Gemeindemitglieder zu St. Nikolai. “Ich sehe nicht, dass die wesentlichen Fragen, die uns hier beschäftigen, von den Politikern aufgegriffen werden. Vollbeschäftigung ist doch eine Illusion. Wir erleben hier jeden Tag das Gegenteil“, sagt Thomas. Einmal in der Woche kommen 90 Leute in die Kirche, um dort Mittag zu essen. Sie haben nicht viel Geld, aber vor allem fehle ihnen der Kontakt zu anderen Menschen. Solchen Leuten Vollbeschäftigung zu versprechen sei unrealistisch und unredliche Politik, sagt Thomas. „Wichtiger wäre es, Menschen eine Form der Arbeit zu bieten, die sie nicht schwach und mürbe macht.“ Auf die Partei seiner Wahl angesprochen, reagiert der Pastor ratlos: „Für mich hat keine der Parteien ein überzeugendes Konzept, das Arbeit, soziales Leben und Gerechtigkeit verbindet.“ Wählen geht er trotzdem, schließlich habe man sich die freie Wahl hier als Bürgerrecht erkämpfen müssen. Lena Gürtler

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Friede, Freude, Wahlsieg http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/friede-freude-wahlsieg/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=friede-freude-wahlsieg http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/friede-freude-wahlsieg/#comments Sun, 13 Sep 2009 12:21:48 +0000 Lena Gürtler, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=3041 Foto: Milos Djuric

Foto: Milos Djuric

OSNABRÜCK. Krieg oder Frieden – ein hoch emotionales Thema, das nicht zum ersten Mal über Wahlsieg oder –niederlage entscheiden könnte. Nach der Linken versucht nun auch die SPD, mit ihrem Afghanistan-Papier ihr Friedensprofil zu schärfen. Nagelprobe für die Friedensrhetorik der Wahlkämpfer: Ein Besuch in der Hochburg der Friedensbewegung im niedersächsischen Osnabrück.

Eine Collage aus Zeitungsausschnitten: Schlagzeilen über Deutschland im WM-Fieber neben Bildern von ausgebombten Häusern im Libanon. Darüber legt sich ein halbtransparentes Muster aus Rottönen – erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es Gefangene in Guantanamo sind. Sylvia Lüdtke thematisiert in ihren Bildern die Gleichzeitigkeit von Krieg und Frieden. “Ein tiefes Friedenssehnen” treibt die Künstlerin an. Eine Sehnsucht, die sie mit einer ganzen Stadt teilt: In Osnabrück wurde 1648 der Dreißigjährige Krieg mit dem westfälischen Frieden beendet. Bis heute steht auf dem gelben Schild am Ortseingang “Friedensstadt.”

Allein 43 Organisationen beschäftigen sich in Osnabrück mit dem Thema Frieden. Zusammen mit ihren Kindern geht Sylvia Lüdtke auf die regelmäßigen Friedensdemos in der Stadt, protestiert dabei auch gegen einen Krieg, der in Deutschland offiziell nicht so genannt werden darf. Die deutschen Truppen in Afghanistan sind auf “Friedensmission”. Ein Thema, das die Osnabrücker umtreibt, gerade auch im Wahlkampf. An einer Autobahnabfahrt hat jemand quer über den FDP-Slogan “Raus aus Afghanistan” geklebt. Nicht unbedingt eine Forderung der Liberalen. Der Spruch klingt sehr nach der Linken. Die versuchen schon lange, mit dem Krieg am Hindukusch Wahlkampf zu machen.

Die anderen Parteien geraten in Zugzwang, müssen Position zu Afghanistan beziehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Frage um Krieg und Frieden die Wahl mitentscheidet: 2002 hat sich Gerhard Schröder durch sein “Nein” zu deutschen Truppen im Irak noch einmal auf den Kanzlersessel gerettet. In diesem Wahlkampf also Afghanistan, mit einem Unterschied: Deutsche Soldaten sind schon da, die Positionierung der Parteien wird dadurch ungleich schwieriger, ein Samthandschuh-Thema für die Parteien.

Anders die Osnabrücker. Sie suchen die Auseinandersetzung mit dem Thema. “Das Friedensthema ist ansteckend, Osnabrück ist ein friedensbewegter Ort”, sagt der Politikwissenschaftler Roland Czada. Er ist Professor an der Osnabrücker Universität und Leiter der Osnabrücker Friedensgespräche. Diese Veranstaltungen seien immer voll, in anderen Städten habe er das bei ähnlichen Themen ganz anders erlebt. Kürzlich hatte Friedensforscher Czada zu einer Diskussion über den Truppeneinsatz in Afghanistan geladen: “Das Thema wurde von den Osnabrückern viel kontroverser diskutiert als von den Parteien: Die fetzten sich wirklich: war es richtig, da reinzugehen oder zwingen wir uns den Afghanen auf?” Nach Meinung des Politikwissenschaftlers hat Steinmeier mit seiner Festlegung auf ein Abzugsdatum ab 2013 das einzig Richtige getan: “Er profiliert sich im Wahlkampf zunehmend auf dem Feld, für das er als Minister zuständig ist: die Außenpolitik.”

Die CDU hingegen bringe das Thema Afghanistan in die Bredouille, sagt Czada. Ihr Verteidigungsminister ist – wenn er überhaupt mal auftaucht – in Erklärungsnot. Wenn Soldaten tot aus Afghanistan nach Deutschland gebracht und gleichzeitig die Rufe nach Abzug noch lauter werden, darf Franz Josef Jung die Soldaten nicht einmal “Gefallene” nennen. Auf ein Ende des Einsatzes der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan will sich die CDU nicht festlegen. Der Einsatz am Hindukusch taugt für die CDU nicht dazu, Wahlkampf-Punkte in einem Land zu sammeln, in dem mehr als jeder zweite Bürger für einen schnellen Abzug ist.

Foto: Milos Djuric

Foto: Milos Djuric

Die überklebten FDP-Plakate sind eigentlich eine hervorragende Vorlage für die Wahlkampfrede von Guido Westerwelle an diesem Nachmittag in Osnabrück. Die Wahlkampfbühne ist vor dem Rathaus aufgebaut. Hier befindet sich der “Friedensaal”, in dem Katholiken und Protestanten den Dreißigjährigen Krieg beendeten. Überall in der Innenstadt verteilt: Rostrote Installationen, aus denen Apfel-Bäume wachsen. Sie erinnern an die Varus-Schlacht vor 2000 Jahren. Das Thema Krieg wird auch beim FDP-Chef vorkommen: Er spricht über die Abrüstung von Atomwaffen. Die Frage nach dem Truppenabzug aus Afghanistan lässt er geflissentlich beiseite.

“Für die FDP und die Grünen ist das Thema nur begrenzt wahlkampftauglich”, sagt Friedensforscher Czada. Die FDP wolle es sich nicht mit der CDU als mögliche Koalitionspartnerin verderben. Die Grünen wiederum haben als ehemals friedensbewegte Partei, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an mitgetragen. Nicht selten werden sie von ihren Anhängern dafür angegriffen. Afghanistan ist für die Grünen ein Thema, das sie lieber nicht in die Schlaglichter des Wahlkampfes rücken wollen, so Czada. “Wenn eine Partei mit dem Thema Wählerstimmen holen kann, dann ist es die Linke.” Sie ist grundsätzlich gegen deutsche Soldaten im Ausland und scheint damit den Friedens-Nerv vieler Wähler zu treffen. “Grundsätzlich sehnen sich die meisten Menschen nach Frieden. Damit wird jede Diskussion um Afghanistan auch zu einer emotionalen Gradwanderung”, so der Friedensforscher.

“Ich habe Angst vor Krieg” oder “Wenn alle Herzen gleichzeitig im Takt für den Frieden schlagen würden, dann hätte man ein Erdbeben der Stärke sechs.” Das haben Ausstellungsbesucher in Sylvia Lüdtkes Friedensbücher geschrieben. Die Künstlerin fordert die Betrachter ihrer Bilder auf, ihre Wünsche und Gedanken niederzuschreiben. Das erste Mal hat Lüdtke die Friedensbücher in Osnabrücks türkische Partnerstadt Canakkale ausgestellt. Seitdem füllt sich Buch um Buch. Kunst gegen die eigene Furcht. Lüdtkes Vater ist Offizier: “Ich habe erst spät begriffen, dass mein Vater auch in den Krieg ziehen könnte. Das hat mir Angst gemacht.” Einen schnellen Abzug der Truppen aus Afghanistan hält sie trotzdem für zu riskant. “Abzug bedeutet noch kein Frieden.”

Ein Argument, um das auch die Linke im Wahlkampf eigentlich nicht herumkommen dürfte. Nur einen Tag nach Westerwelle hält Gregor Gysi vor dem Osnabrücker Rathaus eine Wahlkampfrede. Im Gegensatz zu seinem FDP-Widersacher fordert er vehement den Truppenabzug aus Afghanistan: Durch Kriegseinsätze könne man keinen Frieden schaffen. Applaus. Gysi und seine Partei sind die einzigen, die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan als Krieg bezeichnen. Glück für ihre Wahlkampfstrategie: Denn nur wer von Krieg spricht, kann von Frieden reden und damit Wähler locken.

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TV-Duell: Merkels Heimspiel in der Kneipe http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/tv-duell-merkels-heimspiel-in-der-kneipe/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=tv-duell-merkels-heimspiel-in-der-kneipe http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/tv-duell-merkels-heimspiel-in-der-kneipe/#comments Sun, 13 Sep 2009 11:39:00 +0000 C. Salewski http://www.wahlfahrt09.de/?p=2700 Osnabrueck_duellabend

Foto: Milos Djuric

OSNABRÜCK. Die Straßen in Osnabrück sind an diesem Sonntagabend wie leergefegt. Das mag an Osnabrück liegen. Oder daran, dass TV-Duell-Zeit ist. In der “Peitsche” sammeln sich die Anhänger der Kanzlerin.

Die Kneipe, in der sich der bürgerliche Konservatismus versammelt, trägt den einprägsamen Namen “Peitsche”. Nicht “Zur Peitsche”, einfach “Peitsche”. Draußen ist angeschlagen, was heute geboten wird: “Angie vs. Steini live auf der Leinwand”. Das lockt immerhin knapp 30 potentielle Wähler in den zugequalmten Hinterraum. Die dunkle Holzvertäfelung hat wie viele der Zuschauer das Rentenalter erreicht. Der Wirt Sebastian Heukamp hingegen ist Vertreter der Jungen Union. Mit 35 Jahren.

Heukamp nimmt es sportlich, dass der Wahl-O-Mat ihm empfohlen hat, für die Piratenpartei zu stimmen. Erstaunt sei er schon gewesen, aber das politische Weltbild ist nicht in Gefahr. Als Steinmeier sich auf der Leinwand als einzig wahrer Opel-Retter in Szene setzt, zischt Heukamp nur: “Privat fährt der wahrscheinlich Mercedes.” Es soll wohl so etwas wie ein Argument sein.

Seine Gäste tauen nach dem zweiten Bier langsam auf. Ein Senior beschimpft Steinmeier als “Lügner” und “Mistkerl”. Er hat schon zwei Schnäpse Vorsprung. Dabei ist auf der Leinwand bisher nur Friede, Freude, Eierkuchen. Als Frank Plasberg die Duellanten daran erinnert, dass eigentlich Wahlkampf mit Betonung auf Kampf herrscht, raunt ein Mann hinter seiner Lesebrille: “Nicht die Politiker streiten sich heute, sondern die Moderatoren.” Schon ist ein konsensfähiges Thema gefunden: “Die Illner verdient ja viel mehr als Merkel”, sagt eine resolute Dame. Obwohl beide aus Ostdeutschland kämen. Ihr Nebenmann sieht die Chance für einen Lacher: “Und sie ist produktiver”, setzt er nach. Kichern.

Im Fernsehen geht es jetzt um Ulla Schmidt und die Gesundheitsreform. In der “Peitsche” geht es um ihren Dienstwagen. Als auch Steinmeier das Wort Dienstwagen in den Mund nimmt, frohlockt ein bärtiger Gast: “Eigentor!” Jetzt hat die Dame ihren Auftritt, die findet, dass die Kanzlerin zu wenig verdient. “Die SPD will Verhältnisse wie in der DDR schaffen”, sagt sie. “Alles soll gleich gemacht werden. Gemeinschaftsschulen, Krankenversicherung. Und die Börsensteuer, die trifft die kleinen Leute, die die Riester-Rente haben, nicht die Börsianer.”

Endlich versucht die Kanzlerin so etwas wie eine Offensive, greift die linke Flanke ihres Herausforderers an. Die SPD würde ja auch mit der Linken undsoweiter. In der Peitsche ist man zufrieden bis begeistert. “Jetzt kommt sie ja mal langsam, hat ja lange gedauert”, sagt Einer. “Super, gut”, sagt ein Anderer.

Dann setzt Steinmeier zum Schlusswort an, spricht direkt in die Kamera und damit direkt in die “Peitsche”. Er hebt an: “Aus der Krise…” Doch weiter kommt er nicht. “Nicht mit der SPD! “, stößt es aus einem Gast heraus. “Auswendiggelernt!”, ruft sein Nachbar. Es wirkt so, als würde ein Kind “Ätschi-Bätsch!” rufen, auch wenn es etwas anders klingt. Bei Merkels Schluss-Statement herrscht dann andächtige Stille. Als sie fertig ist, applaudieren die Gäste. Die Kanzlerin ist in der “Peitsche” die klare Siegerin. Auch wenn es dafür kein TV-Duell gebraucht hätte.

Text: Jens Christian Kage, Christian Salewski

siehe auch: Steinmerkel im TV

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Herr Grün und die Roten http://www.wahlfahrt09.de/menschen/herr-grun-und-die-roten/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=herr-grun-und-die-roten http://www.wahlfahrt09.de/menschen/herr-grun-und-die-roten/#comments Fri, 11 Sep 2009 13:54:26 +0000 Jan Patjens http://www.wahlfahrt09.de/?p=3043 Duisburg_Rainer_Gruen

Foto: Milos Djuric

DUISBURG.Aus Frust über die großen Parteien haben Deutsch-Türken in Duisburg einen eigenen Wählerverein gegründet. Sie wollen Menschen aus Zuwandererfamilien für die Politik gewinnen – und stellen fest, das ist nicht immer einfach.

Richtige Wahlkampfstimmung will nicht aufkommen an diesem Septembermorgen in der Friedrich-Engels-Straße in Marxloh. Schräg gegenüber der Marktklause haben ein paar ältere Männer von der SPD einen Infostand aufgebaut, es gibt Würstchen und rot-weiße Kugelschreiber. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Pflug kämpft im Wahlkreis Duisburg II um ein Direktmandat. Doch das Interesse der Passanten hält sich in Grenzen. Und die CDU ist gar nicht erst gekommen, sehr zum Ärger der Genossen.

Marxloh, ein Stadtteil im Norden Duisburgs. Bundesweit bekannt wegen seiner Moschee, der größten in Deutschland, vor knapp einem Jahr eröffnet. Jeder Dritte der rund 18000 Einwohner stammt aus einer Migrantenfamilie. Man hat den Stadtteil mit Berlin-Neukölln verglichen und als Ghetto bezeichnet, als ein bedürftiges, von Arbeitslosigkeit und politischer Apathie geprägtes Problemviertel. Marxloh wurde zur „Chiffre für eine deutsche Banlieu“.

Marxloh ist mehr als eine deutsche Banlieu

Doch die Wirklichkeit ist vielschichtig, anders als das Klischee. In der Weseler-Straße, der Hauptstraße von Marxloh, gibt es sie zwar, die schmutzigen Gründerzeitfassaden, Wettbüros und Spielhallen, die Döner-Imbisse und dunklen Kneipen mit aschgrauen Gardinen. Aber es gibt hier eben auch prächtige Geschäfte für Brautmoden, Juweliere und Schuhläden, Ärzte und Apotheken mit türkischen Namen. Sie stehen für den neuen Mittelstand im Viertel.

Und noch etwas passt nicht in das Bild vom Problembezirk: Die Merkez-Moschee in Marxloh wurde ganz ohne Streit geplant und gebaut. Anders als in Köln, Frankfurt oder Berlin gab es hier keine Proteste der Anwohner und keine grundsätzlichen Bedenken. Vom „Wunder von Marxloh“ war deshalb die Rede.

Ein Wunder war es wohl nicht, eher ein Beispiel für Integration: Im Vorstand der Moschee sitzen Angehörige einer jungen Generation, pragmatische Deutsch-Türken, die im Ruhrgebiet aufgewachsen und beruflich erfolgreich sind. Den Bau der Moschee haben vor allem Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren vorangebracht. Sie setzten sich für einen Beirat ein, dem Vertreter christlicher Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Nachbarn angehörten. Und für ein Begegnungszentrum, das allen offen steht.

Am Infostand der SPD kann man an diesem Morgen indes auch beobachten, dass es nicht immer so gut klappt mit dem Dialog zwischen Deutschen und Migranten. Und das liegt nicht nur daran, dass Berlin und der Bundestag weit weg sind. Auch bei den Kommunalwahlen Ende August hat in Marxloh gerade mal jeder vierte Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben, Negativrekord in Duisburg. Oft ist im Stadtteil der Satz zu hören, die Migranten interessierten sich doch eh nicht für Politik.

Migranten für Politik begeistern

Schon wieder ein Klischee? Rainer Grün, 41, ist einer, der es wissen muss. Er ist Vorsitzender der „Duisburger Alternativen Liste“ (DAL), einer Wählervereinigung, die Migranten für die Politik gewinnen und ihre Interessen in der Kommunalpolitik besser zur Geltung bringen will. Sein Vater stammt aus der Türkei, seine Mutter aus Deutschland. Grün arbeitet als Wachmann und kommt gerade von der Nachtschicht. Es ist kurz nach zehn, Zeit für einen Feierabend-Tee in einem Döner-Grill an der Weseler Straße – und für ein Gespräch über Politik.

Im Wahlkampf habe er gemerkt, wie schwierig es sei, Migranten für Politik zu begeistern, sagt Grün: „Hier haben viele verinnerlicht, dass sie ‚Ausländer’ sind, sie fühlen sich nicht als Bürger.“ Außerdem trauten die meisten den Parteien nicht mehr zu, die Probleme zu lösen. Nach wie vor würden türkischstämmige Menschen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt diskriminiert, es fehle an Unterstützung für Vereine und an Angeboten für Jugendliche. „Die Resignation ist riesengroß, da ist es nicht leicht, die Leute zum Wählen zu bewegen.“

Als Spitzenkandidat der DAL hat Rainer Grün das selbst zu spüren bekommen. Nur 1,1 Prozent der Stimmen hat die Wählervereinigung bei den Kommunalwahlen in Duisburg gewonnen – das reicht immerhin für ein Mandat im Stadtrat. So wird Grün nun erstmals in das Gremium einziehen, er könnte also zufrieden sein. Doch die Enttäuschung über das schlechte Abschneiden seiner Liste überwiegt.

Trotz urdeutschem Namen auf hinterem Listenplatz

Es ist nicht die erste Enttäuschung für Grün. Als er im Jahr 2004 gemeinsam mit zwanzig anderen Duisburgern die DAL gründete, trieb ihn vor allem der Frust über die Parteien an. Grün war viele Jahre SPD-Mitglied, ein „aktiver Funktionär“, wie er sagt. Die Genossen an der Basis hätten ihn allerdings nicht recht zum Zug kommen lassen: „Ich durfte zwar Pöstchen bekleiden und Plakate kleben, wenn es aber um politische Ämter ging, war für mich Schluss.“ Die Altgedienten hätten nichts von ihrer Macht abgeben wollen, er sei nicht nach Leistung, sondern nach seiner Herkunft beurteilt worden. „Trotz meines urdeutschen Namens“, sagt Rainer Grün.

Ähnlich erging es anderen Gründungsmitgliedern der DAL, zum Beispiel Gürsel Dogan: Er war lange in der CDU, kehrte der Partei aber den Rücken, als sie ihn vor der Ratswahl 2004 auf einen aussichtslosen Listenplatz setzen wollte. „Wir hatten keine Chance, und das ausgerechnet in Duisburg“, sagt Grün. Die Parteien trügen selbst dazu bei, dass Migranten sich von ihnen abwendeten.

Dabei müssten die Parteien eigentlich großes Interesse an Leuten wie Rainer Grün haben. Rund 700.000 türkischstämmige Wähler gibt es in Deutschland, fast jeder Fünfte Einwohner ist zugewandert oder ein Kind oder Enkel von Migranten. In manchen westdeutschen Großstädten wird in einigen Jahren die Hälfte der Jungwähler aus Migrantenfamilien stammen.

Integration ist Randthema im Wahlkampf

Kein Wunder also, dass die Parteien um Zuwanderer werben und sie offiziell willkommen heißen. Spitzenpolitiker wie Cem Özdemir und Lale Akgün, Bülent Arslan und Hakki Keskin sollen Migranten ansprechen. Die Förderung von Integration steht in allen Parteiprogrammen – immerhin ist das Thema in der Bildungs-, Familien-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik von entscheidender Bedeutung.

Doch im Bundestagswahlkampf spielt Integration kaum eine Rolle. Für Schlagzeilen sorgte allein Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, als er bei einem Wahlkampfauftritt in Duisburg rumänische Arbeiter beschimpfte: Die kämen nicht pünktlich zur Schicht und wüssten nicht, was sie tun.

Und an der Parteibasis stoßen Migranten oft auf Ablehnung, sie haben es schwer, attraktive Listenplätze zu ergattern. Im Bundestag sitzen derzeit fünf türkischstämmige Abgeordnete, zur Zeit der rot-grünen Koalition waren es sogar nur zwei. In diesem Jahr kandidieren zwar mehr als zwei Dutzend Deutsch-Türken für den Bundestag, die meisten von ihnen rangieren jedoch auf hinteren Listenplätzen und haben kaum Aussicht auf ein Mandat.

Ein Drittel Migranten, ein Sechstel migrantische Abgeordnete

In Duisburg sieht es ganz ähnlich aus. Ein Drittel der knapp 500.000 Einwohner hat hier einen so genannten Migrationshintergrund, im Stadtrat sind derzeit jedoch nur fünf von 74 Abgeordneten türkischer Herkunft. Einer von ihnen ist Gürsel Dogan, jener Kommunalpolitiker, der die CDU 2004 verlassen hatte und als DAL-Kandidat ein Mandat gewann. Er schloss sich bald der CDU-Ratsfraktion an und trat seiner alten Partei wieder bei. In seinem Wahlkreis Duisburg-Hochfeld ist er vor zwei Wochen direkt gewählt worden.

Eine kleine Erfolgsgeschichte, keine Frage. Dem neuen Stadtrat werden nun immerhin acht Abgeordnete aus Zuwandererfamilien angehören. Und zur Bundestagswahl tritt in Duisburg wenigstens ein Direktkandidat türkischer Herkunft an: Hüseyin Aydin von den „Linken“. „Die Situation hat sich etwas verbessert“, sagt Rainer Grün, „einige Parteimitglieder haben ihre Lektion gelernt.“ Das sei auch ein Verdienst der DAL.

Im Stadtrat will Grün, der ehemalige Sozialdemokrat, nun den CDU-Oberbürgermeister unterstützen. „Wir haben uns zwar aus Protest gegründet, wollen aber konstruktiv Politik machen“, sagt er. Und registriert mit Genugtuung, dass die Ratsfraktionen jetzt um seine Stimme werben.

Schnellboot der Migration in die Politik

Dennoch wollen Grün und die DAL weiter gegen die Politik- und Parteienverdrossenheit vieler Migranten kämpfen. „Keine Integration ohne Mitbestimmung“ lautet einer ihrer Slogans. „Wir wollen Leute aus der Basis ins Rathaus schicken, wir sind das Schnellboot der Migration in der großen Politik“, sagt Grün und klingt fast schon wie ein Berufspolitiker. Mittlerweile hat die Wählervereinigung 25 Mitglieder, darunter sind viele Frauen. Fast alle sind Deutsch-Türken, obwohl man keine reine Migrantenliste sein will und auch ein deutscher Arzt dabei ist. „Dal“ ist das türkische Wort für Ast. „Wir wachsen“, sagt Grün, „und man kann sich an uns festhalten.“

Fragt man Abdullah Küҫük, warum er sich für die DAL engagiert, dann sagt er: „Ich bin Deutscher, gelte hier aber immer noch als ‚Ausländer’. Das will ich mal abschaffen.“ Küҫük, 36, ist in Duisburg geboren und in Marxloh aufgewachsen. Er hat bei Thyssen eine Ausbildung zum Verfahrenstechniker gemacht und arbeitet heute im Stahlwerk Hamborn. „Viele meiner Freunde haben studiert, einige sind Ärzte oder Geschäftsleute geworden“, sagt er. „Wir stehen für gelungene Integration, die Parteien verwenden nur das Wort.“ Auch in der Bundespolitik dienten ihnen türkischstämmige Abgeordnete oft nur als Aushängeschild.

Abdullah Küҫük hat bei den Kommunalwahlen in Alt-Hamborn kandidiert, seine Frau Ebru, 28, trat in Marxloh an. Ein Mandat für die Bezirksvertretung haben beide nicht gewonnen. Doch das sei auch gar nicht so wichtig, sagt er. Es gehe ihm vor allem darum, dass Menschen türkischer Herkunft überhaupt wahrgenommen würden, auf allen Ebenen der Politik. „Geh’ zur Wahl!“, das sei der wichtigste Appell der DAL.

Bockwurst statt Baklava

In der Friedrich-Engels-Straße haben die Genossen ihren Stand inzwischen wieder abgebaut. Die SPD habe überhaupt keine Schwierigkeiten, mit Migranten ins Gespräch zu kommen, sagt einer. „Wir haben auch selbst welche dabei, das entwickelt sich schon.“ Sicher ist, dass die großen Parteien es sich immer weniger leisten können, die Gruppe der Migranten zu vernachlässigen. Und vielleicht hilft es ja schon ein bisschen, wenn der SPD-Ortsverein im nächsten Bundestagswahlkampf nicht nur mit Bockwurst, sondern auch mit Baklava auf Wählerfang geht.

Rainer Grün jedoch kann es sich vorerst nicht vorstellen, zu den Roten zurückzukehren.

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Wahlkampf nach der großen Pause http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/#comments Fri, 11 Sep 2009 10:30:05 +0000 Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2424 Foto: Milos Djuric

Fotos: Milos Djuric

DUISBURG. Die Aula des Marxloher Berufskollegs ist voller Erstwähler, Wahlkampftermin mit den Direktkandidaten des Wahlkreises. Eine einmalige Gelegenheit für die Politiker, die Schüler für ihre Parteien zu begeistern – sollte man meinen. Nur merkwürdig, dass sie mit den Jungwählern nicht über das reden wollen, was sie eigentlich interessiert: Bildungspolitik.

Die Vorhänge sind zugezogen, nur die Bühne ist beleuchtet. Vor der Mittagspause sind die Oberstufenklassen dazu eingeladen, mit ihren Direktkandidaten zu diskutieren. Auf dem Podium sitzen fünf Männer, alle jenseits der 40. Einzig der Direktkandidat der Linken stammt ursprünglich nicht aus Deutschland – und das in einem Stadtteil, in dem mehr als  jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat. Die CDU hat in Marxloh einen schweren Stand: Bei der Bundestagswahl 2005 kam sie auf 19,7 Prozent, die SPD auf mehr als doppelt so viel.

Beginn der Diskussion: Volker Mosblech von der CDU ist stolz auf die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, die einen stabilen Ordnungsrahmen biete. Er plädiert für Tarifautonomie und gegen Mindestlöhne. Aus dem Publikum hört man leise Buhrufe. Eine Schülerin hält ihr Arme nach oben und die Daumen gen Boden. Eine andere fragt über Mikrofon, wie die Wirtschaft in 50 Jahren funktionieren soll, wenn sie alle jetzt keine Ausbildungsplätze bekommen.

Hüseyin Aydin von den Linken ergreift seine Chance: Er fordert eine Ausbildungsabgabe, damit wieder mehr Betriebe ausbilden. Lauter Applaus. 25 Milliarden Euro müssten in den Bildungsbereich investiert werden, dann ginge es auch wieder mit der Wirtschaft bergauf. Finanzieren ließe sich das mit einer stärkeren Besteuerung von Einkommen über 60.000 Euro. Diese Vorschläge seien ja schön und gut, erwidert Thomas Wolters von der FDP, aber es gebe einfach nichts zu verteilen. „Lassen Sie sich vom Populismus der Linken nicht einlullen!“ Murmeln im Publikum. Einer der Schüler, der die Diskussion leitet, bittet die Parteien, sich nicht gegenseitig anzugreifen.

90 Minuten soll die Diskussionsrunde dauern. Trotz einer langatmigen Debatte über Konjunktur- und Steuerpolitik, sind die Schüler erstaunlich ruhig. Plötzlich ergreift eine Schülerin mit langen blonden Haaren das Publikumsmikrofon: „Wann reden wir eigentlich über Bildungspolitik?“ Stille. Einer der Gäste habe darum gebeten, nicht über Bildungspolitik zu reden, erklärt kleinlaut ein Schüler. „Das ist schließlich Ländersache!“, outet sich der FDP-Mann als derjenige, der mit den Schülern nicht über das Thema reden will. Trotz dieser Steilvorlage ergreift keiner der Politiker die Chance, um die bildungspolitischen Positionen ihrer Parteien anzupreisen.

Johannes Pflug von der SPD spricht noch ein bisschen darüber, dass seine Partei den Bezug des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängert habe. Mathias Schneider von den Grünen plädiert für eine nachhaltige Energiepolitik, alles andere sei eine Frage der Verteilung. Der Schulgong setzt den Schlusspunkt, die Schüler strömen aus der Aula. Beim Rausgehen regen sich zwei Schülerinnen über die Themenwahl ihrer Direktkandidaten auf: „Was denken sich die eigentlich, schließlich sind wir hier an einer Schule!“

Wahlfahrt09 hat vier Schülerinnen gefragt, wer sie überzeugt hat. Für ihre Antworten auf die Fotos klicken!

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“Uns geht es noch zu gut” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/uns-geht-es-noch-zu-gut/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=uns-geht-es-noch-zu-gut http://www.wahlfahrt09.de/menschen/uns-geht-es-noch-zu-gut/#comments Wed, 09 Sep 2009 10:50:16 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=2278 Becker3

Foto: Lu Yen Roloff

UNTERWEGS. Die Wahlfahrt09 traf Jürgen Becker, LKW-Fahrer auf der Fahrt von Wiesbaden nach Duisburg. Auf einem Parkplatz an der Autobahn stand Becker zwischen anderen rastenden LKW-Fahrern herum und beäugte neugierig unseren Bauwagen. Bei Kartoffelsalat und Würstchen war dann kurz Zeit für einen Smalltalk zum Thema Politik.

“Ach, Sie sind auf der Wahlfahrt? Man weiß ja nicht mehr, was man wählen kann heutzutage. SPD geht nicht, CDU geht nicht, FDP schon gar nicht. Gar nicht wählen geht aber auch nicht, dann bekommen die Stimmen die anderen. Ich wähl zum ersten Mal die Linke. Der Gysi haut den Leuten wenigstens auf die Finger. Oder man macht es so wie ich bei der letzten Oberbürgermeisterwahl: Da hab ich nur alles durchgestrichen und hingeschrieben: Leckt mich am Arsch. Da gab es keine Option.

Die Politiker versprechen ja nur Dinge, die sie nicht halten können: Neue Arbeitsplätze. Aber es gibt keine neuen Arbeitsplätze, da ist Feierabend.

Ach, sie fahren nach Duisburg-Marxloh? Ja, da gibts viele Türken. Und Einbrüche. Das sind aber auch die Hartz-4-Empfänger, von denen gibt es zuviele. Wovon sollen die auch leben? Ich war selbst mal eine Zeitlang arbeitslos und hab von Hartz4 gelebt. Die wollten mir, weil ich ein paar Cent über dem Wohngeld-Satz lag, die Wohnung wegnehmen.

Wir könnten ja mal auf die Straße gehen und demonstrieren. In Italien und Frankreich, wenn denen was nicht passt, dann sperren sie die Autobahn, und wenn einer durch will, dann kriegt der eins auf die Fresse. Aber dafür gehts uns Deutschen noch zu gut, wir sind zu bequem. Da muss es erst noch schlimmer werden.”

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Wahlkampf bis der Regen kommt http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlkampf-bis-der-regen-kommt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlkampf-bis-der-regen-kommt http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlkampf-bis-der-regen-kommt/#comments Sun, 06 Sep 2009 14:27:41 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=2030 Wahlkampf Wiesbaden

Foto: Lu Yen Roloff

WIESBADEN. Fünf Parteien, 99 Luftballons und zwischen acht und zehn gute Gründe für Wähler, die ein oder andere Partei zu wählen. In Wiesbaden ging die Wahlfahrt09 zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit dem Wahlkampf.

„Papa, kann ich noch einen gelben Ballon?“ fragt die fünfjährige Lea ihren Vater. Gelb würde gut passen zu den vier grünen Ballons, die sie in der Hand hält. Doch Papa macht Wahlkampf am Stand der Grünen und sagt: „Nein, gelbe Ballons brauchen wir nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Weil wir lieber grüne Ballons haben“. Für Lea kein Argument. Papa schiebt hinterher: „Wir wollen keine Werbung für die machen, weil die für Atomkraftwerke sind.“

Die, das sind die Kollegen von der FDP, die sich gemäß ihres politischen Profils genau am anderen Ende der Wahlstandreihe in der Wiesbadener Fussgängerzone aufgebaut haben. Zum Wahlsamstag haben sich alle fünf Parteien auf 100 Metern versammelt. Das ist Demokratie zum Anfassen und vor allem: Mitnehmen. Ich stecke mir einen grünen Gummi-Apfelring in den Mund. Im Angebot sonst noch Waldmeisterbrause und der Test: Wie grün bist du? Vor allem die Kinder scheinen von der Partei überzeugt. Eine kleine Broschüre fasst die „Zehn Gründe, grün zu wählen“ zusammen. Also neue Arbeitsplätze, grüne Energiepolitik, Mindestlöhne, gerechte Globalisierung, Atomausstieg, Angleichung des Lohnniveaus von Frauen an das von Männern, Bildung, Freiheit im Internet, keine Gentechnik und Abschaffung der Wehrpflicht.

Dass die Fronten zwischen den Grünen und der SPD verschwimmen, zeigt der Wahlkämpfer am benachbarten SPD-Stand. Irritierenderweise trägt er ein grünes T-Shirt. Vielleicht eine Rot-Grün-Blindheit? Soll ja bei jedem achten Mann vorkommen. Auch nur acht gute Gründe hat die SPD für ihre Wähler definiert. Oder wie es zukunftsgewandt heißt: „Ziele, für die wir kämpfen“. Die Grünen haben aber zehn gute Gründe, sage ich und halte das kleine Merkheftchen auf Umweltpapier hoch. Es komme doch nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der Gründe an, protestiert der grüne SPDler. Also auf Mindestlöhne, kostenfreie Bildung, Klimaschutz, Unterstützung für Familien, Angleichung des Lohnniveaus für Frauen; dazu Integration, weniger Heuschrecken-Kapitalismus und Frank Walter Steinmeier. Dann gibt er zu: „Am Ende dominieren bei allen Parteien die gleichen Themen: Soziale Gerechtigkeit, Familien, Bildung.“ Warum? „Weil das die Menschen bewegt.“ Ich stecke gerade einen roten Kugelschreiber ein, als es zu einem kleinen Medienauflauf kommt. Die Wiesbadener Direktkandidatin Heidemarie Wieszorek-Zeul kommt mit roten Haaren und rotem Mantel persönlich zum Rote-Rosen-Verteilen vorbei. Die SPDler sind aufgeregt. So sieht also „Anpacken für unser Land“ aus.

Rosen verteilt auch das TeAM Deutschland von der CDU am nächsten Stand, allerdings rosafarbene. Sie liegen in einem Bastkorb, der mit Herbstblättern dekoriert ist. Die Wahlkämpferin und CDU-Stadträtin in der fliederfarbenen Kostümjacke kennt ihre Wiesbadener. Sie plaudert jovial mit den Passanten, ruft ein „Tschüssi!“ hier, ein „Bis zum Sauna-Essen!“ da. Schnell noch einen Blick in die zehn guten Gründe der CDU geworfen: Ach ja, Bildung, Integration, Familien, Angleichung des Lohnniveaus für Frauen, dazu noch etwas Sicherheit, auch in der Energiefrage. Und ein Punkt für die Zielgruppe Landwirte. Dann wird der Stand auch schon abgebaut. Ein Auftritt beim Stadtfest „Wiesbaden singt“ wartet, die CDU-Stadträtin wird dann mit dem Wiesbadener Magistratschor auf der Rathaustreppe zu hören sein. Und freut sich auf das Highlight: „Yellow Submarine“ von den Beatles.

Apropos gelb: Die FDP. An deren Stand lungert bereits ein gepiercter Heavy-Metal-Fan mit langen Haaren herum. Ob er einen der gelb-blauen Schwämme haben könne? Aber gerne. Beim letzten Wahlkampf, so berichtet der FDP-Wahlkämpfer in braunem Samtjackett, habe man statt einer blauen Schwammunterseite noch eine schwarze gehabt. Slogan damals: „Der größtmögliche Kontrast zu schwarz“. Diesmal geht es nicht ums Reinemachen durch Opposition, sondern um die mittels Schwamm transportierte Koalitionswilligkeit der FDP. Was ich mitbringen müsse, um die Partei gut zu finden, frage ich: „Sie müssen ein freiheitsliebender Mensch sein, der an die Eigeninitiative der Menschen glaubt und nicht fragt, was kann der Staat für mich machen“, antwortet der Wahlkämpfer, der normalerweise im hessischen Wirtschaftsministerium arbeitet. Weniger Arbeitsschutzmaßnahmen führen zu mehr Brutto vom Netto, dazu fordert die Partei eine günstigere Steuerpolitik für den Mittelstand und dass die Hartz-4-Sätze nach einem Jahr gesenkt werden sollen. So unsozial? Flugs spricht der Herr von den Finanzmärkten, die man besser kontrollieren müsse.

Na sowas, das wollen neben FDP, CDU, SPD und Grünen auch die Linken, die als einzige Partei kein Pavillonzelt, sondern nur einen Schirm haben. Das muss wohl der „Schutzschirm für Menschen“ sein, den die Parteizeitung „Klar“ fordert. Bevor ich dazu komme, die Giveaways einzusacken, setzt plötzlich ein heftiger Regenschauer ein. Der Regen treibt die Schnäppchenjäger und Luftballon-sammelnden Familien unter das Vordach von Karstadt.

Abrupt hat der Wahlkampf ein Ende. Die Linke klappt ihren Schutzschirm zusammen und verschwindet hastig. Auch die anderen Parteien sind weg. Nur die FDP hält wacker dem Wetter stand. Für einen Moment bin ich versucht, diese Standfestigkeit auf ihr politisches Profil zu schieben, schließlich heißt es dort ganz aktivierend in den zehn Gründen für den Parteieintritt: Ich bin dabei. Doch dann greifen sich vier FDPler das knallgelbe Zelt und wandern damit in die Nebengasse.

Zurück bleibt die leere Fußgängerzone von Wiesbaden. Das nennt man dann wohl Schönwetterpolitik.

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