Wahlfahrt09 » Jugend http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 Ohne mich http://www.wahlfahrt09.de/orte/landkreis-im-demokratischen-vorruhestand/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=landkreis-im-demokratischen-vorruhestand http://www.wahlfahrt09.de/orte/landkreis-im-demokratischen-vorruhestand/#comments Sun, 27 Sep 2009 21:25:09 +0000 Daniel Stender http://www.wahlfahrt09.de/?p=3514 BÖRDE. Im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt blieben 2005 mehr Wähler zuhause als sonst wo in Deutschland: 32 Prozent gingen nicht zur Wahl – aus Langeweile, Politikverdrossenheit, Protest und Verpeiltheit. Auch 2009 gibt es viele Wahlberechtigte, die nicht wählen wollen. Fünf Begegnungen mit Nichtwählern in der Kreisstadt Haldensleben.

Nein, er wird nicht wählen gehen, erklärt der gepflegte ältere Herr, der seinen Pudel zwischen den Reihenhäusern von Haldensleben spazieren führt. Er schickt sich an zu gehen – doch dann bricht es plötzlich aus ihm hervor: „Dieser Verbrecherstaat! Mit dem möchte ich nichts zu tun haben!“, schimpft er. „Von mir aus sollte man die Mauer wieder aufbauen!“ Zeternd zieht er von dannen – einer von vielen, die sich im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt in den demokratischen Vorruhestand verabschiedet haben. 2005 gab es hier mit 68 Prozent die bundesweit niedrigste Wahlbeteiligung. Und bei der Europawahl in diesem Jahr lag die Quote bei knapp 40 Prozent, weit über die Hälfte aller Wähler blieb also zu Haus. Und doch ist es auf den Straßen der Kreisstadt Haldensleben mehr als schwierig, einen Nichtwähler zu treffen, der bereit ist, seine Abstinenz zu erklären.

Bei 68% Wahlbeteiligung geht eben doch noch ein großer Teil der Bevölkerung zur Wahl. Und es scheint, als hätten die sich verabredet, um uns das vielfältige demokratische Haldensleben vorzuführen: Der freundliche Vater bei McDonalds, die ältere Dame am Wegesrand, der junge Mann, mit seinem aufgemotzten Auto, sie alle sind überzeugte Wähler, ausgestattet mit den besten Argumenten.

Aber wo sind sie dann, die Nichtwähler in Haldensleben? Warum wählen sie nicht? Und sind sie alle derart stereotyp-ostalgisch wie der Meckeropa mit dem Pudel?

„Ist doch egal, wen ich wähle“

Foto: Jörn Neumann

Foto: Jörn Neumann

„Politik interessiert mich herzlich wenig“, sagt die 18-Jährige Saskia Sperl, als wir sie nicht weit entfernt von den Reihenhäusern des Meckeropas treffen. Eigentlich ist sie die klassische Zielgruppe all der Kampagnen, die Jungwähler dazu bewegen wollen, die Bundestagwahl 2009 als ihr erstes Mal in Sachen aktiver Demokratie zu nutzen. Aber die Partei, die Saskia Sperls Interessen vertritt, müsste wohl noch gegründet werden: „Eine Partei wäre für mich dann wählbar, wenn sie Steuern, Praxisgebühr und hohe Benzinkosten abschaffen würde“, sagt sie. In der Schule hat sie mal ein Referat über die Grünen halten müssen: „Das war nicht so spannend, aber einiges war auch interessant“, erinnert sie sich. Generell ist sie der Meinung, dass sich durch Wahlen „eh nichts ändert. Ob ich wen wähle oder nicht, ist doch ganz egal.“ Für die angehende Bürokauffrau sind andere Sachen wichtiger: Am späten Samstagnachmittag ist sie gerade mit einer Freundin auf dem Weg in eine Eisdiele, am Sonntagmorgen will sie ausschlafen und den freien Tag genießen. Sagt sie und düst mit ihrem kleinen Auto davon.

„Im Grunde keine Wahl“

53 Jahre alt ist der Dachdecker, der am Rand einer malerischen Kleingartenanlage wohnt und gerade in seinem Hof vor sich hin werkelt. Seinen Namen möchte der Mann nicht nennen, auch will er nicht fotografiert werden. Nichtwählen scheint selbst in Haldensleben eine Sache zu sein, die man eher im Verborgenen tut: „Man wird schnell populär heutzutage“, sagt er skeptisch. Er will nicht wählen gehen, weil er der Meinung ist, dass er „im Grunde keine Wahl“ hat. Schließlich haben sich durch die Große Koalition beide Volksparteien einander inhaltlich angenähert; „Wähle ich die CDU, dann habe ich ein Übel, wähle ich SPD, dann habe ich es auch“, sagt er. Aber, betont er immer wieder, er sei kein unpolitischer Mensch, er informiere sich und habe sich seine Enthaltung gründlich überlegt: „Wenn ich am Wahlabend die Ergebnisse ansehe, dann habe ich ein ruhiges Gewissen. Denn egal, wer gewinnt, ich habe damit nichts zu tun.“

Drei große Fragezeichen auf dem Stimmzettel

Foto: Jörn Neumann

Foto: Jörn Neumann

Fernab der Schrebergartenidylle der Kreisstadt liegt die Hafenstraße – die Gegend hat in Haldensleben keinen guten Ruf. „Fragen Sie mal bei denen, die sich da hinter der Tankstelle an ihren Bierflaschen festhalten“, hören wir von den vielen engagierten Wählern und machen uns auf den Weg in die Schmuddelecke. Aber die Biertrinker hinter der Tankstelle wollen ihre Ruhe. Oder sie sind gar keine Nichtwähler. „NPD“, sagt einer und grinst. Wenige Schritte entfernt sieht Haldensleben schon wieder ganz anders aus: Im nahegelegenen Jugendclub findet ein Benefizkonzert statt, viele eher alternativ aussehende Jugendliche in Kapuzenpullovern treffen sich hier mit Freunden. Die 28-jährige Kate ist Sozialpädagogin, sie hat die Konzerte im Jugendclub mitorganisiert. „Ich sehe in dieser Parteienlandschaft für mich keine Alternative“, sagt sie. Daher will sie „drei große Fragezeichen“ auf ihren Stimmzettel malen und ihn so ungültig machen. „Aber meine Stimme wird so schon gezählt und kommt nicht der NPD oder irgendeiner radikalen Partei zugute“, erklärt sie. Kate geht also zur Wahl, aber nur, um ihrem Protest gegen die vorhandenen Wahlmöglichkeiten Ausdruck zu verleihen. In den letzten Jahren hat Kate an den Wahlen teilgenommen: „Irgendwann in meinem Leben werde ich schon mal wieder wählen gehen“, sagt sie. In diesem Jahr aber ist sie nur indirekt dabei.

Nicht wählen, weil unterwegs

Foto: Jörn Neumann

Foto: Jörn Neumann

„Wir sind zu Besuch bei unseren Schwiegereltern“, sagen B. Sonnabend und G. Bertram. Wir treffen das junge Paar (23 und 20 Jahre alt) mit ihrem neun Wochen alten Sohn vor einem Altersheim im Stadtteil Alt-Haldensleben, wo die Stadt langsam in die sanften Hügel der Bördelandschaft übergeht. Die beiden stammen aus Lehrte bei Hannover und können nicht wählen gehen, weil sie unterwegs sind. „Wir haben zwar die Unterlagen zur Briefwahl bekommen, aber ich habe die weggeworfen“, sagt B. Sonnabend – es habe eben niemand gewusst, fügt die junge Frau hinzu, dass sie ausgerechnet am 27. September nach Haldensleben fahren würden. Sonst wären sie mit Sicherheit zur Wahl gegangen. „Immerhin“, sagt G. Bertram, „die Schwiegereltern sind gerade unterwegs zum Wahllokal.“

„Politiker sind scheiße“

Foto: Jörn Neumann

Foto: Jörn Neumann

Vado Manuel darf an der Wahl gar nicht teilnehmen: Er hat keinen deutschen Pass. Wir treffen den 18-Jährigen vor dem Lidl im Industriegebiet von Haldensleben. Vado Manuel wartet hier mit seinem 17-jährigen Cousin, die beiden telefonieren, albern herum und verbreiten mit ihren weiten Baseball-Klamotten etwas Hip-Hop-Flair auf dem öden Parkplatz. „Politik sollte sich dafür einsetzen, dass auch Ausländer die gleichen Rechte haben wie Deutsche“, sagt Vado Manuel. Seit 16 Jahren wohnt Vado Manuel in Deutschland und hat noch immer keinen deutschen Pass, obwohl er zu seiner afrikanischen Heimat viel weniger Bezug hat als zu Deutschland. Zur Zeit macht er eine Ausbildung zum Koch – die Lehre macht Spaß, sagt er. Selbst wenn er an der Bundestagswahl teilnehmen könnte, würde er aber nicht mehr wählen gehen: „Politiker sind scheiße“, sagt er: „Die machen Versprechen, die sie nicht halten.“ Er hat lange gehofft, dass ihm die Politik einen Pass verschaffen würde. Nun würde er aber nicht mehr wählen gehen, selbst wenn er dürfte. Das erste Mal Demokratie fällt für ihn auf jeden Fall aus.

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Bereit zum Ändern http://www.wahlfahrt09.de/menschen/denk-selbst/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=denk-selbst http://www.wahlfahrt09.de/menschen/denk-selbst/#comments Fri, 25 Sep 2009 15:34:59 +0000 Anja Schlender http://www.wahlfahrt09.de/?p=3301 Piraten_Rene_Emcke_siteMAGDEBURG. Sie sind eine der jüngsten Parteien der insgesamt 27 Parteien in diesem Bundestagswahlkampf – die Piratenpartei. In Deutschland gibt es die Piraten erst seit drei Jahren. Der Landesverband Sachsen-Anhalt wurde erst vor drei Monaten gegründet. Anja Schlender hat in Magdeburg mit dem Landesvorsitzenden René Emcke gesprochen.

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Wahlkampf nach der großen Pause http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/#comments Fri, 11 Sep 2009 10:30:05 +0000 Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2424 Foto: Milos Djuric

Fotos: Milos Djuric

DUISBURG. Die Aula des Marxloher Berufskollegs ist voller Erstwähler, Wahlkampftermin mit den Direktkandidaten des Wahlkreises. Eine einmalige Gelegenheit für die Politiker, die Schüler für ihre Parteien zu begeistern – sollte man meinen. Nur merkwürdig, dass sie mit den Jungwählern nicht über das reden wollen, was sie eigentlich interessiert: Bildungspolitik.

Die Vorhänge sind zugezogen, nur die Bühne ist beleuchtet. Vor der Mittagspause sind die Oberstufenklassen dazu eingeladen, mit ihren Direktkandidaten zu diskutieren. Auf dem Podium sitzen fünf Männer, alle jenseits der 40. Einzig der Direktkandidat der Linken stammt ursprünglich nicht aus Deutschland – und das in einem Stadtteil, in dem mehr als  jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat. Die CDU hat in Marxloh einen schweren Stand: Bei der Bundestagswahl 2005 kam sie auf 19,7 Prozent, die SPD auf mehr als doppelt so viel.

Beginn der Diskussion: Volker Mosblech von der CDU ist stolz auf die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, die einen stabilen Ordnungsrahmen biete. Er plädiert für Tarifautonomie und gegen Mindestlöhne. Aus dem Publikum hört man leise Buhrufe. Eine Schülerin hält ihr Arme nach oben und die Daumen gen Boden. Eine andere fragt über Mikrofon, wie die Wirtschaft in 50 Jahren funktionieren soll, wenn sie alle jetzt keine Ausbildungsplätze bekommen.

Hüseyin Aydin von den Linken ergreift seine Chance: Er fordert eine Ausbildungsabgabe, damit wieder mehr Betriebe ausbilden. Lauter Applaus. 25 Milliarden Euro müssten in den Bildungsbereich investiert werden, dann ginge es auch wieder mit der Wirtschaft bergauf. Finanzieren ließe sich das mit einer stärkeren Besteuerung von Einkommen über 60.000 Euro. Diese Vorschläge seien ja schön und gut, erwidert Thomas Wolters von der FDP, aber es gebe einfach nichts zu verteilen. „Lassen Sie sich vom Populismus der Linken nicht einlullen!“ Murmeln im Publikum. Einer der Schüler, der die Diskussion leitet, bittet die Parteien, sich nicht gegenseitig anzugreifen.

90 Minuten soll die Diskussionsrunde dauern. Trotz einer langatmigen Debatte über Konjunktur- und Steuerpolitik, sind die Schüler erstaunlich ruhig. Plötzlich ergreift eine Schülerin mit langen blonden Haaren das Publikumsmikrofon: „Wann reden wir eigentlich über Bildungspolitik?“ Stille. Einer der Gäste habe darum gebeten, nicht über Bildungspolitik zu reden, erklärt kleinlaut ein Schüler. „Das ist schließlich Ländersache!“, outet sich der FDP-Mann als derjenige, der mit den Schülern nicht über das Thema reden will. Trotz dieser Steilvorlage ergreift keiner der Politiker die Chance, um die bildungspolitischen Positionen ihrer Parteien anzupreisen.

Johannes Pflug von der SPD spricht noch ein bisschen darüber, dass seine Partei den Bezug des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängert habe. Mathias Schneider von den Grünen plädiert für eine nachhaltige Energiepolitik, alles andere sei eine Frage der Verteilung. Der Schulgong setzt den Schlusspunkt, die Schüler strömen aus der Aula. Beim Rausgehen regen sich zwei Schülerinnen über die Themenwahl ihrer Direktkandidaten auf: „Was denken sich die eigentlich, schließlich sind wir hier an einer Schule!“

Wahlfahrt09 hat vier Schülerinnen gefragt, wer sie überzeugt hat. Für ihre Antworten auf die Fotos klicken!

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Wahlgangster in Gevelsberg http://www.wahlfahrt09.de/orte/wahlgangster-in-gevelsberg/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlgangster-in-gevelsberg http://www.wahlfahrt09.de/orte/wahlgangster-in-gevelsberg/#comments Thu, 10 Sep 2009 10:37:25 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=3030

GEVELSBERG. Das erste Mal ist oft schwer. Gerade wenn 18jährige wählen sollen, die sich im Alltag noch kaum mit Politik auseinandergesetzt haben. Seit Jahren geht die Zahl der Erstwähler zurück. Die Studenten der “Wahlgang” besuchen deswegen Schulen, um den Jugendlichen bei der ersten schweren Wahl Entscheidungshilfen zu geben. Wir waren in Gevelsberg dabei.

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Jamaika lässt die Grünen blass aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/#comments Mon, 07 Sep 2009 14:34:56 +0000 Lu Yen Roloff, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2888 Wiesbaden_jamaika-4

Foto: Milos Djuric

Erschienen am 17. September auf Spiegel Online

WIESBADEN. Darf’s ein bisschen exotischer sein? Das Saarland könnte bald die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene bekommen. Im Wiesbadener Rathaus regiert Schwarz-Gelb-Grün bereits seit 2006. Zu kämpfen haben damit vor allem die Grünen.

Zwischen grünen Luftballons und Kisten mit Waldmeisterbrausetüten macht der Junggrüne Daniel Herwig in der Wiesbadener Fußgängerzone Wahlkampf – und gerät dabei zwischen die Fronten. „Was sagst Du den zur EBS?“ wirft ihm ein grauhaariger Mann mit Rucksack entgegen.

Plötzlich muss Herwig seine Partei gegenüber seinem ehemaligen Sportlehrer verteidigen. Im Stadtparlament haben die Grünen mit ihren Jamaikapartnern dafür gestimmt, ein ehemaliges Gerichtsgebäude mit zehn Millionen Euro zu sanieren, damit dort die European Business School, kurz EBS, einziehen kann. Die EBS macht Wiesbaden zur Universitätsstadt, ist aber auch eine Privatuniversität mit Studiengebühren von 13000 Euro pro Jahr. „Es ist nicht Aufgabe staatlicher Bildungspolitik, versnobbte Manager auszubilden“, empört sich der Lehrer. Er ist selbst seit 1993 bei den Grünen, nun aber enttäuscht über die grüne Fraktion im Stadtparlament, die seiner Meinung nach keine grüne Politik macht. Und überhaupt, gegen das geplante Kohlekraftwerk habe sie sich auch nicht stark genug positioniert.

Wiesbaden ist eine von sechs Kommunen, die den Versuch einer Jamaika-Koalition gewagt haben. Taugt das Beispiel Jamaika für Land oder Bund? Bislang hat es die Zusammenarbeit von CDU, Grünen und FDP noch nie über die kommunale Ebene hinausgeschafft.

Meist sind es die Grünen, die eine Koalition mit ihrem größten politischen Gegner, der FDP, ausschließen. In Frankfurt am Main zerbrach eine bereits ausgehandelte Koalition im Jahr 2001 nach nur einem Tag. Auch im hessischen Wiesbaden startete Schwarz-Gelb-Grün nur deswegen, weil sich SPD und CDU als ursprüngliche Koalitionsaspiranten während der Verhandlungen entzweit hatten. Hier hat die CDU mit 29 Mandaten eine klare Machtposition gegenüber ihren Koalitionspartnern: Die Grünen besitzen zehn Mandate, die FDP sieben.

Massenaustritt bei den Jungen Grünen

Die Ansiedlung der European Business School in Wiesbaden gilt als Prestigeprojekt des Oberbürgermeisters Helmut Müller. Der CDU-Mann ist zwar von den Wiesbadenern direkt gewählt, doch weiß er mit der CDU-geführten Koalition im Stadtparlament eine starke Mehrheit hinter sich. Die Koalition laufe prima, sagt er. „Alle wollen, dass sich die Hochschule in Wiesbaden ansiedelt, damit wir ein Wissenschaftsstandort werden.“

Viele Grüne an der Basis sehen das anders: Nachdem die Fraktion trotz Mitgliederentscheid für die Sanierung des EBS-Gebäudes mit städtischem Geld gestimmt hatte, trat mehr als die Hälfte der Wiesbadener jungen Grünen aus der Jugendorganisation der Partei aus. Ihr Vorwurf: Statt öffentliche Schulen zu sanieren, stütze man teure Privatunis. Auch der Junggrüne Herwig sagt, die grüne Fraktion vertrete ihre Positionen innerhalb der Koalition bisweilen nicht selbstbewusst genug – aus Angst vor einem Koalitionsbruch.

Die Wiesbadener haben ihre eigenen Meinungen zu der Koalitionsdisziplin der Grünen. Zwischen den Wahlkampfständen steht Rentner Herbert Müller – und spricht aus, was viele über die Grünen denken: „Die Grünen haben sich entlarvt: Wenn es um die Macht geht, dann wird verkleistert.“ Jamaika sei ein reines Zweckbündnis von Individuen, die sich gut bezahlte Posten sichern wollten. Für den ehemaligen Verwaltungsangestellten Müller ist die Sache klar: „Dabei kommt etwas raus, was nicht Fisch und nicht Fleisch ist – was die Grünen unter Jamaika machen, kann niemals grüne Politik sein.“

Streit ums Kohlekraftwerk

Noch deutlicher werden die Schwierigkeiten von Jamaika, wenn es um das geplantes Kohlekraftwerk geht. Das Kraftwerk, das der lokale Energieerzeuger bauen will, widerspricht der grünen Forderung nach einer nachhaltigen Energiepolitik. Im Koalitionsvertrag steht allerdings nur, dass die Koalition den Bau des Kraftwerks „kritisch“ sehe. An diesem Punkt sagt selbst der sonst loyale Junggrüne Herwig: „Das klingt für mich wie ausgeklammert.“ Tatsächlich rächte sich die vage Formulierung, als der Bau 2007 akut wurde: Die Bürger gingen auf die Straße, in der Stadt gründete sich ein Bündnis gegen das Kraftwerk, und die grüne Parteibasis forderte die Fraktion zum Handeln auf: Unter Führung der Fraktion solle das Stadtparlament den Vorstand des Energieerzeugers zum Baustopp auffordern. Trotz Veto von FDP und CDU brachten die Grünen den Antrag ein und gewannen dafür eine Mehrheit außerhalb der Koalition. Jamaika drohte zu zerbrechen.

In der Konfrontation mit Jamaika kann die SPD mit einer starken Oppositionspolitik punkten. Im Gegensatz zu den Grünen konnten sie sowohl gegen das Kohlekraftwerk als auch gegen die Sanierung des Gerichtsgebäudes für die Privatuni klar Position ergreifen. „Die SPD hat nichts dagegen, wenn Grüne und FDP sich streiten“, sagt Christoph Manjura. Er ist jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rathaus. Am Wahlkampfstand verteilt er wie seine Genossen Kugelschreiber und Flyer an vorbeischlendernde Passanten. Die SPD freut sich über den Zwist in der Koalition, hört man auch von anderen am Stand: Ließe sich doch jeder Kompromiss in der Koalition sowohl gegen die Einen wie die Anderen verwenden.

Atmosphärische Störungen

Beim CDU-Stand will man vom Stunk mit der grünen Fraktion dagegen zunächst nichts wissen. Karsten Koch, Sprecher für Planung, Bau und Verkehr, lobt sogar den Verkehrssprecher der Grünen als „verlässlichen Mann“: „Es läuft inhaltlich gut, wir können ordentlich was vorweisen“, sagt er. Man habe „überraschende Gemeinsamkeiten“ festgestellt, die auch auf Bundesebene bestünden: Etwa den Schutz des ungeborenen Lebens und die Bewahrung der Schöpfung vor Gentechnik. Da lägen christlicher Hintergrund und grüne Ansichten nah beieinander. Gut, es gebe gewisse „atmosphärische Störungen“ bei den Grünen, fügt er dann hinzu. „Man bekommt mit, dass Jamaika für die Fraktion eine große Zerreißprobe ist. Wir hoffen, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.“

Im Streit um den Grünen-Antrag zum Kohlkraftwerk konnte die Koalition gerade noch dadurch gerettet werden, dass der Bürgermeister den außerkoalitionären Beschluss als rechtswidrig ablehnte: Das Parlament könne nicht in die geschäftlichen Entscheidungen des Energieerzeugers eingreifen. Aufgrund der Wirtschaftskrise hat der Energieerzeuger inzwischen Schwierigkeiten, den Bau des Kohlekraftwerks zu finanzieren. Ob das Kohlekraftwerk kommt, ist derzeit offen, doch der Konflikt bleibt ungelöst.

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Großstadtfeeling in Mini http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grosstadtfeeling-in-mini/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=grosstadtfeeling-in-mini http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grosstadtfeeling-in-mini/#comments Sun, 23 Aug 2009 16:34:27 +0000 Moira Lenz http://www.wahlfahrt09.de/?p=1391 ERDING. Ruhig ist es nachts in der altbayerischen Kreisstadt Erding. Außer vor dem Penthaus, einer Disko im Gewerbegebiet: Keineswegs einsam wacht hier die Jugend der Stadt. Vor der Tür des fünfstöckigen Geschäftsgebäudes wartet eine lange Schlange adrett aufgerüschter Menschen, die unbedingt hinein wollen: Denn an diesem Abend feiert ed Netz fünfjähriges Bestehen. Steffi strahlt. Die17-Jährige zeigt stolz ihre VIP-Manschette: „Mein Onkel ist bei der Raiffeisenbank und hat mir die Einladung zur Party geschenkt“. Das Wahlfahrt09-Team ist schon drin, um zu erfahren, was sich hinter diesem strahlenden Netz verbirgt.

Ed Netz ist eine Erfolgsgeschichte aus Erding: Die Community – 2004 von Sebastian Blum begründet, „aus der Idee heraus, Party-Bilder ins Netz zu stellen“– verzeichnet heute etwa 60.000 Besucher pro Woche. Party, chatten, Freunde treffen, damit hatte er damals einen Nerv getroffen: Denn das ist der große gemeinsame Nenner der Erdinger Jugend. Heute rangiert ed Netz hier noch vor den Branchengrößen Lokalisten.de und Facebook. Regionale Vernetzung stehe im Vordergrund, „so gelangen wir an die lokale Werbung“, erklärt der 26-Jährige Wirtschaftsinformatiker. „Wenn auf eine Party wegen uns 400 Leute mehr kommen, können wir ganz andere Preise verlangen, als wenn Nivea eine Cremekampagne bei uns schaltet – denn die wird einfach schlecht bezahlt“.

Das Netzwerk wird sich wohl noch einige Zeit auf Platz 1 halten, denn die meisten User wollen bleiben. Kein Wunder: In Erding herrscht Vollbeschäftigung – die Gegend ist eine Boomregion, seit 1992 der Münchner Flughafen Franz Josef Strauß im Erdinger Moos öffnete. Max Renninger vom Erdinger Anzeiger erklärt sich das so: „Irgendwie verändert sich hier alles zum Besseren, scheinbar ohne eigenes Zutun. Hier kommt einfach alles ganz selbstverständlich, weil die Strukturen noch stimmen“ – die Erdinger seien eben sehr traditionell. Und stolz auf ihre Herkunft, es gehe ihnen so gut, dass gar kein Zwang zu Veränderung bestünde, bemerkt der 23-Jährige.

Sandro Maierhofer hat es geschafft. Der 20-jährige Fliesenleger ist am Türsteher vorbei gekommen und will jetzt feiern: „Ed Netz nutze ich für Freunde, zum Kennen lernen und einfach zum  Schreiben“ – wählen wird er nicht, denn ändern will er nichts: „Ich lebe jetzt seit 20 Jahren in Erding und bleibe in Erding“. Darin gleichen sich die Stimmen und die Stimmungen der jungen Menschen: Hier ist es schön, hier will ich sein. So sieht das auch Alex, der im nächsten Jahr 18 wird: Nach der Schule will er studieren, Maschinenbau in München. „Dann mal schaun, wo ich Arbeit finde – ich würde gerne auf dem Land bleiben –  und da will ich dann verweilen“ – selbst die Sprache der Jugendlichen hat hier etwas Altmodisches.

Sonja ist auch im Penthaus. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau, will dann ins Management – ihr Interesse an Politik ist mäßig: “Außer Horst Schlämmer interessiere ich mich nicht für Politik“. Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer hat es geschafft: Mancherorts scheint die Kunstfigur realer als die Politik. Selbst aktive Nichtwähler wie Rentner Dietmar Loleit erwähnen das „Projekt“ als gelungene Parodie, die die Auseinandersetzung um Realpolitik fast zu ersetzen scheint.

Das sieht Steffi mit dem VIP-Bändchen anders: Politik interessiere sie schon, „schließlich geht es da um uns, aber ich darf noch nicht wählen“. Vor ein paar Wochen war sie in Berlin und Hamburg, mit ein paar Freundinnen, Sightseeing. „Interessante Städte, ganz anders als München oder Erding“, erzählt die Schülerin. „Ich hab eine Führung durch den Reichstag gemacht. Da sind wir auch zufällig in eine Demo rein geraten. Sie lacht: „Heute schon das Gras von Morgen rauchen“, damit sind sie rum gezogen“. Ihre berufliche Zukunft sieht sie in  München: „Dort arbeiten, aber in Erding leben. Denn hier ist es Großstadt-Feeling in  Mini“.

In der Region bleiben wird wohl auch Sebastian Blum, Gründer von ed Netz: Eben hat ihn ein Headhunter für eine große überregionale Tageszeitung mit Sitz in München abgeworben, um ihr Online-Portal zu verbessern. Warum sollte er auch gehen. Kommt man doch per Internet von Bayern in die ganze Welt.

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Ein Garten für Glaucha http://www.wahlfahrt09.de/orte/ein-garten-fur-glauchahalle/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ein-garten-fur-glauchahalle http://www.wahlfahrt09.de/orte/ein-garten-fur-glauchahalle/#comments Mon, 17 Aug 2009 13:33:15 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=1413

HALLE. Junge Leute engagieren sich nicht mehr für ihr Umfeld? Einige Hallenser Studenten beweisen das Gegenteil. Aus einer Brache haben sie in mühevoller Arbeit einen Nachbarschaftsgarten geschaffen. Sie wollen, dass sich unterschiedliche Bewohner des Viertels treffen können.

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Jugendhaus Basta! Görlitz http://www.wahlfahrt09.de/orte/jugendhaus-basta-gorlitz/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jugendhaus-basta-gorlitz http://www.wahlfahrt09.de/orte/jugendhaus-basta-gorlitz/#comments Fri, 14 Aug 2009 14:49:55 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=821

GÖRLITZ. Früher besetztes Haus, heute vom Jugendamt gefördertes Projekt: Im “Basta!” treffen sich deutsche und polnische Jugendliche. Sonst ist nicht viel los für sie in Görlitz. Unser Wahlfahrt09-VJ Jens Christian Kage im Gespräch mit drei Görlitzern, die im “Basta!” aktiv sind.

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