Wahlfahrt09 » Görlitz http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 “Ich verstehe nicht, warum die Linke im Osten so stark ist.” http://www.wahlfahrt09.de/neues/ich-verstehe-nicht-warum-die-linke-im-osten-so-stark-ist/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ich-verstehe-nicht-warum-die-linke-im-osten-so-stark-ist http://www.wahlfahrt09.de/neues/ich-verstehe-nicht-warum-die-linke-im-osten-so-stark-ist/#comments Tue, 18 Aug 2009 14:57:11 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=717 HerrSchreiber_180x300HALLE. Der Hallenser Peter Schreiber, 63, ist Frührentner. Der einstige Maschinenbau-Ingenieur wurde nach der Wende arbeitslos und hat in der Versicherungsbranche gearbeitet. Er hält große Stücke auf Angela Merkel und meint, die werde das auch weiter deichseln.

Der Wahlkampf ist mir ein bisschen zu ruhig, es wird zu wenig auf die dringenden aktuellen Themen eingegangen. Angeblich geben die Parteien doch 60 Millionen Euro für den Wahlkampf aus, aber wo sind die Wahlkämpfer denn, wann fangen die denn an?

Was mich irritiert, ist die Wahlmüdigkeit hier im Osten. Gerade mal nach 20 Jahren sind die Leute schon so abgestumpft und haben keine Ideen und Visionen mehr. Und was ich auch nicht verstehe, warum die Linke im Osten so stark ist. Das kann ich nicht begreifen, dass die Menschen das so schnell vergessen haben, was in der DDR war. Dass sie heute sogar sagen, dass es damals besser war.

Ich bin kein Wechselwähler, ich habe seit Jahren eine stramme Ausrichtung. Ich wähle CDU. Die Frau Merkel macht das recht ordentlich und bringt da Ruhe und Sachlichkeit rein. Das zeichnet sie aus, und sie wird das auch weiter so deichseln.

Morgen kommt ja der Cem Özdemir nach Halle, den finde ich ganz in Ordnung. Also was der sagt, hat Hand und Fuß, der ist der Einzige von den Grünen, der eine Koalition machen könnte mit der CDU.

Protokoll: Ulrike Linzer, Foto: Sylvie Gagelmann

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/neues/ich-verstehe-nicht-warum-die-linke-im-osten-so-stark-ist/feed/ 0
“Ich bin Protestwählerin, ich geh die Linken wählen” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/ich-bin-protestwahlerin-ich-geh-die-linken-wahlen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ich-bin-protestwahlerin-ich-geh-die-linken-wahlen http://www.wahlfahrt09.de/menschen/ich-bin-protestwahlerin-ich-geh-die-linken-wahlen/#comments Mon, 17 Aug 2009 14:48:30 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=587 Halle_Bruchhaus

HALLE. Susanne ist 1995 von München nach Halle gezogen. Die 45-Jährige wohnt im Glauchaviertel, einem Gründerzeitstadtteil von Halle, in dem 30 Prozent der Häuser leer stehen und verfallen. Sie erzählt von den Problemen in ihrer Straße und warum sie mit der Politik der Großen Koalition nicht zufrieden ist.

Ich bin ein paar Jahre nach der Wende von München nach Halle gezogen, wegen eines Jobs in der Gastronomie. Heute bin ich selbstständig und arbeite von zuhause am Telefon. Seit zehn Jahren wohne ich im Glaucha-Viertel, einem Stadtteil von Halle, in dem die Mieten relativ günstig sind. Das liegt daran, dass die Häuser ziemlich verfallen sind, die Altbauten stehen zu 30 Prozent leer, und die Besitzer haben kein Geld die Häuser instand zu setzen. Viele sind auch denkmalgeschützt.

Es ist ein sehr gemischtes Viertel. Hier wohnen Familien und Studenten, aber auch Prostituierte und Zuhälterpack. Gegenüber von mir ist ein Haus, in dem vor allem Schwarzafrikaner leben, die haben auch einen Treffpunkt zum Billardspielen und Biertrinken eingerichtet. Da ist immer viel los, aber die sind sehr freundlich.

Halle_Bruchhaus2_600x400Ich will hier im Viertel bleiben, aber aus meinem Haus möchte ich so schnell wie möglich raus. Wir haben nicht immer warmes Wasser und der Besitzer kümmert sich nicht darum, es instand zu halten. Sehen Sie die Risse im Treppenhaus? In jeder Etage wird es schlimmer. Und an der Tür zum Innenhof hat die Stadt Halle Schilder angebracht, auf denen `Achtung Lebensgefahr´ steht. Das Nachbarhaus ist nämlich einsturzgefährdet. Da hat sich seit zehn Jahren keiner mehr drum gekümmert. Schauen Sie, hier ist schon eine Mauer eingestürzt, und die Balkone da oben sehen ziemlich wackelig aus. Und da sind überall Tauben im Haus, hören Sie mal das Gurren. Pfui Deibel. Das ist doch kein Zustand. Aber die Stadt macht ja hier nichts, die ist doch selber pleite.

Mit der Politik unserer Bundesregierung bin ich nicht zufrieden, die machen doch nichts für uns. Angie ist gut, aber die ist in der falschen Partei. Die SPD kann man auch nicht wählen, die haben doch keine Visionen. Ich bin Protestwählerin, ich gehe die Linken wählen.

Protokoll: Ulrike Linzer, Fotos: Sylvie Gagelmann

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/ich-bin-protestwahlerin-ich-geh-die-linken-wahlen/feed/ 0
“Politiker reden, reden, reden” http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politiker-reden-ohne-ende/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=politiker-reden-ohne-ende http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politiker-reden-ohne-ende/#comments Sat, 15 Aug 2009 16:07:25 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=906 Stefan Steingräber 300x200

(Foto & Audio Lu Yen Roloff)

GÖRLITZ. Stefan Steingräber (21) hat in Görlitz eine eigene Radiosendung beim Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal (SAEK). Im Rahmen einer Wahlsondersendung interviewte er die Spitzenkandidaten für die sächsische Landtagswahl. Und stellte fest: Politiker sind auch nicht allwissend.

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politiker-reden-ohne-ende/feed/ 0
Auf ein Bier mit … Christoph Kuhn, Schriftsteller http://www.wahlfahrt09.de/menschen/auf-ein-bier-mit-christoph-kuhn-schriftsteller/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=auf-ein-bier-mit-christoph-kuhn-schriftsteller http://www.wahlfahrt09.de/menschen/auf-ein-bier-mit-christoph-kuhn-schriftsteller/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:50:09 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=1354

HALLE. Der Schriftsteller Christoph Kuhn kennt sich aus mit der jüngeren deutschen Geschichte. Sein jüngster Roman “Die hinteren Gründe” beschäftigt sich mit dem Leben in der DDR. In “Auf ein Bier mit…” erzählt er, wie schnell vergessen wird, dass Ost- oder Westdeutsch zu sein egal ist und was ihn am Bundestagswahlkampf stört.

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/auf-ein-bier-mit-christoph-kuhn-schriftsteller/feed/ 0
“Die lassen uns fallen wie heiße Kartoffeln” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/die-lassen-uns-fallen-wie-heise-kartoffeln/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=die-lassen-uns-fallen-wie-heise-kartoffeln http://www.wahlfahrt09.de/menschen/die-lassen-uns-fallen-wie-heise-kartoffeln/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:49:11 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=259

Alt

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Wolfgang und Eva Alter kamen spontan auf dem Rückweg vom Arbeitsamt zum Wahlfahrtsstand und sprachen über Altersarmut und Wahllügen.

Wolfgang Alter, 75 Jahre:

Ich möchte Ihnen etwas über Altersarmut erzählen. Mir wurde vom Sozialamt gesagt, ich hätte ein übersteigendes Einkommen. Dabei habe ich nach allen Ausgaben und Abzügen gerade einmal 290 Euro im Monat zum Leben, meine Frau bekommt Hartz IV, die Miete geht aber von meiner Rente ab. Für mich wäre es besser, ich würde Hartz IV bekommen. Dann müsste der Staat die Miete zahlen und ich hätte mehr Geld zum Leben. Ich habe mein Leben lang ehrlich und hart gearbeitet und habe jetzt als Rentner weniger als Hartz IV, wo bleibt denn hier die Gerechtigkeit? Soziale Gerechtigkeit gibt es nicht mehr, da war es besser zu DDR-Zeiten. Die SPD ist keine soziale Partei.

Keine Partei hilft uns. Ich spreche mit allen Parteien, ich höre mir an, was die Linke sagt und was die NPD sagt, ich gehe zu allen hin und erzähle meine Sorgen. Aber die machen ja nichts. Vor der Wahl hören sie alle zu und tun freundlich, sagen, dass sie sich darum kümmern. Aber die hören uns nicht zu, ich habe die Schnauze voll von diesem Staat, die lassen uns fallen wie heiße Kartoffeln.

Eva Alter, 56 Jahre:

Ich kriege in meinem Alter hier ja keine Arbeit mehr und lebe von Hartz IV. 321 Euro habe ich im Monat, das musste ich mir vor Gericht erkämpfen, vorher hatten sie mich auf 296 Euro eingestuft. Meine Sorge ist, wenn mal was kaputt geht, dann können wir uns nicht leisten, es zu reparieren oder etwas neu zu kaufen. Unsere Einrichtung im Schlafzimmer ist 30 Jahre alt, wir hätten schon gerne mal ein neues Bett. Wenn man jahrelang gearbeitet hat. Was hat uns die Wende gebracht? Nichts.

Protokoll: Ulrike Linzer

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/die-lassen-uns-fallen-wie-heise-kartoffeln/feed/ 1
“Wir sind hier in Görlitz gegen die NPD” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:38:03 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=269 _MG_6111

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Joachim Otto, wurde 1941 im polnischen Lauban geboren, früher Mitarbeiter bei Wüstenrot, heute Rentner. Herr Otto kam an den Wahlfahrt09-Stand. Auf einem kleinen Zettel hatte er Stichworte notiert und erzählte uns seine Geschichte. Am Ende schenkte er uns noch sein Buch „Meine Wurzeln in Deiner Heimat.“

Ich bin Schlesier. 1945 mußte ich Lauban verlassen, meine beiden Großväter hatten dort eine Taschentuchfabrik. Durch den Krieg sind wir über Niederbayern bei Passau gelandet und dort bin ich aufgewachsen. Heute heißt Lauban Lubań, es liegt 30 km von Görlitz entfernt. Ich bin vor zwei Jahren mit meiner Familie nach Görlitz gezogen und fühle mich auch durch meine Wurzeln hier sehr integriert. Die meisten Görlitzer fühlen sich als Schlesier oder Oberlausitzer, nicht als Sachsen.

Was ich von den Görlitzern über Polen gehört hab, es gibt eine gewisse Zurückhaltung, dort rüber zu gehen. Das hängt wohl auch mit den 40 Jahren DDR zusammen. Mir wurde erzählt, dass zu DDR-Zeiten die Polen tagsüber über die Grenze kamen und Brot und Lebensmittel gekauft haben, und abends kamen die DDR-Leute von der Arbeit und es war alles weggekauft.

Ich würde alles tun, um mit den Polen kooperativer umzugehen. Die Polen sind wirtschaftlich wichtig für Görlitz. In der Berliner Straße zum Beispiel kaufen die polnischen Frauen ihre Kleider und Schuhe, ich glaube, ein Drittel des Umsatzes wird durch die Polinnen erwirtschaftet. Es kann sein, dass die Polen wirtschaftlich hier vorbeiziehen, sie bauen Baumärkte und Konsumtempel, sie schreiben deutsche Texte darunter und sind viel aufgeschlossener den Deutschen gegenüber als die Deutschen den Polen. Die Polen sind sehr ehrgeizig, die Eltern achten auf die Ausbildung ihrer Kinder, schicken sie zum Studieren ins Ausland. Die ersten kommen wieder zurück.

Die NPD macht hier Wahlkampf mit dem Slogan „Poleninvasion stoppen“. Aber wir sind hier in Görlitz gegen die NPD. Ich war einer von 400 Görlitzern, die sich haben abbilden lassen und gesagt haben: Wir wollen die NPD hier nicht. Damit nimmt Görlitz auch Partei für die Polen. Ein Argument für Polenfeindlichkeit ist die Grenzkriminalität. Die gibt es, es wurden Autos, Fahrräder geklaut, aber das sind nicht immer die Polen. Es gibt auch deutsche Kriminelle, die das ausnutzen und als Trittbrettfahrer mitklauen. Aber das hängt auch damit zusammen, dass in der Bundesrepublik die Armut immer schlimmer wird. Also Hartz 4 und Arbeitslosigkeit. Viele junge Leute rennen hier abends randalierend durch die Stadt, unser Auto wurde seitwärts eingetreten, der Spiegel abgerissen. Das waren auch keine Polen.

Viele der Alten bekommen das nicht mehr hin mit den Polen. Aber die Jugendlichen überwinden das, manche Görlitzer gehen in den polnischen Kindergarten, sagen Tschüß auf Deutsch und Dobre auf Polnisch. Ich hab ein Buch geschrieben: „Meine Wurzeln in Deiner Heimat“, es ist ein Verständigungs- und Begegnungsbuch, es soll jetzt auch auf Polnisch erscheinen. Die Polen reagieren sehr positiv, wenn man ihre Heimat als ihre Heimat anerkennt. Ich wünsche mir ein gutes Verhältnis zwischen Polen und Deutschen.

Im Kulturbereich und bei den Kirchen in Görlitz gibt es gute Ansätze, polnische Künstler stellen in der Neiße-Galerie aus, neben dem Jacob-Böhme-Haus gibt es ein Museum und dann die grenzübergreifende Kulturarbeit. Das funktioniert viel besser als politische Aktionen. Ich bin auch im Verein Kulturbrücken e.V.. Da machen 9-12jährige deutsche und polnische Kinder zusammen Zirkus-Workshops. Da ensteht Entspannung und Entkrampfung, die Jugend wächst also zusammen. Jetzt schreibe ich gerade ein Buch über zwei Katzen, eine Görlitzer Katze trifft einen polnischen Kater. Die haben keine Grenzprobleme, sondern ganz normale Katzenprobleme.

Protokoll: Lu Yen Roloff

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-sind-hier-in-gorlitz-gegen-die-npd/feed/ 1
“Wir baden aus, was in Berlin vergeigt wird” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:35:00 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=347 CDU

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Thomas Leder ist Görlitzer und seit 1990 CDU-Stadtrat und Vorsitzender des Fördervereins Stadthalle Görlitz e.V.

Welches politische Profil haben Sie?

Ich beschäftige mich mit Bauplanung und dann bin ich im Förderverein Stadthalle Görlitz e.V. Die Stadthalle ist ein Thema, dass die Görlitzer bewegt. Sie spielt in jedem Wahlkampf eine große Rolle. Seit 2004 ist die einzige große Halle zwischen Dresden und Breslau geschlossen. Das Jugendstilgebäude hat eine weltweit einmalige Orgel. Aber die Probleme werden immer größer, sie wieder zu eröffnen. Stadthallen benötigen immer einen Zuschuss. Der liegt bei 200.000 – 400.000 Euro, das ist schwer für eine Stadt wie Görlitz, die einen Nothaushalt hat. Wir haben Museen, ein schönes Theater, ein philharmonisches Orchester und haben Jugendarbeit und den Sport zu unterstützen. Das sind die so genannten „freiwilligen“ Aufgaben – Jugendarbeit, Sozialarbeit, Sport und Kultur.

Wir im Förderverein können informieren, fragen, ansprechen, mahnen. Aber wir können noch nicht einmal andeutungsweise die 25 Millionen Investition aufbringen, die für den Erhalt der Halle nötig sind. Wir können nur die Politik darauf hinweisen, jetzt oder nie. Die Sache anzugehen wird in keinem Jahr besser, Investition und Zuschuss werden nie besser werden, die Kosten steigen eher von Jahr zu Jahr. Deswegen ist jegliches Warten eigentlich unlogisch.

Wie ist es Görlitz seit der Wende ergangen?

Görlitz war eine Stadt, die zwar im Krieg kaum zerstört wurde, aber eine ruinöse Bausubstanz hatte. Hier war fast jede Fassade grau und die Altstadt war nur noch zu einem ganz geringen Prozentsatz bewohnt. Jetzt ist es die schönste Stadt Deutschlands, wie Prof. Kiesow, der Vorsitzende der deutschen Stiftung für Denkmalschutz, sagt. Wer die blühenden Landschaften in Görlitz nicht sieht, der lebt in einer Parallelwelt. Wir sind wirklich aus Ruinen auferstanden, hier haben die Zuschüsse aus dem Solidarpakt wirklich gegriffen. Jetzt kommt die Kehrseite: Dadurch, dass eine Innenstadt da war mit leerstehenden Wohnungen und der Sozialismus dazu Satellitenstädte baute, haben wir jetzt hohe Leerstände, das ist ein Problem.

Ein weiteres großes Problem war bis vor wenigen Jahren die Lage an der polnischen Grenze, die sich langsam bessert. Wer hier selbstständig ist, bekommt zum halben Radius keinen Auftrag. Man kann sich meist nur zu einer Seite der Neiße orientieren. Denn noch geht das wirtschaftliche Zusammenwachsen mit Polen sehr langsam. Es gibt auch Schwierigkeiten mit der Grenzkriminalität. Da müßte auch der Staat auch eine Zeitlang noch Polizisten zuführen, statt wie jetzt BGS-Truppen abzuziehen. Gerade Kleinkriminelle lassen sich von mehr Polizei abschrecken. Das größte Problem ist die Arbeitslosigkeit, bei der die Kommune einen guten Rahmen bieten muss.

Nach welchen Kriterien entscheiden die Wähler ihrer Meinung nach?

Mit Sachthemen ist es ganz schwer, Politik zu machen, die Leute wählen oft nach dem Bauch. Das Problem ist, dass das Wissen um die Probleme eine gewisse Detailkenntnis verlangt, die oft nicht da ist. Wenn der Wähler sich nicht hinsetzt und in der Tagespresse verfolgt, welche Lobby kämpft warum gegen wen, kann er gar nicht verstehen, worüber er abstimmt. Er kann die Parteiprogramme nicht verstehen, machen sie mal ne Umfrage, wer ein Wahlprogramm gelesen hat.

Wie sind ihre Eindrücke als Politiker, was entscheidet in Görlitz die Wahlen?

Die Kommunalpolitik ist immer hautnah dran an den Leuten und wir baden aus, was in den Berlin vergeigt wird. Die Leute schauen viel nach Berlin, Kommunales und Bundesweites wird immer vermischt. Ein großes Thema ist die Gesundheitsreform, das merken die Leute tagtäglich, dass sie zuzahlen, dass die Medikamente kleinere Packungsgrößen haben, die Wartezeiten beim Arzt sich der DDR-Zeit annähern. Neulich wollte ich einen HNO-Termin, da hätte ich sechs Wochen warten müssen. Gesundheit ist ein ganz heißes Thema und ärgert die Leute jeden Tag.

Für die Kommunalpolitik ist schwierig, weil wir mit immer weniger Geld auskommen müssen. Die Einrichtung von Kitas bedeuten Millionen an Mehrkosten, woher nehmen? Wir sollen Jugend- und Sozialarbeit machen und haben kein Geld, können uns Kulturarbeit nicht mehr leisten. Und wie soll man aus diesem Topf für sogenannte „freiwillige“ Aufgaben noch die Stadthalle finanzieren? Dabei ist Kultur auch ein weicher Standortfaktor, gerade für den Mittelstand. Und der bringt die meisten Jobs.

Interview: Lu Yen Roloff

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/feed/ 0
“Hier wird nicht viel geboxt” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/hier-wird-nicht-viel-geboxt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=hier-wird-nicht-viel-geboxt http://www.wahlfahrt09.de/menschen/hier-wird-nicht-viel-geboxt/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:19:37 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=399 P1040878

Foto: Ulrike Linzer

GÖRLITZ. Renate Eusterbrock-Linke, 79, verlegte ihren Altersruhesitz von Hamburg nach Görlitz.

Ich habe mich vor sieben Jahren entschieden, nach Görlitz zu ziehen. Mein Mann war schon einige Jahre tot und ich lebte in einem Außenbezirk von Hamburg. Dann habe ich einen Fernsehbericht über Görlitz gesehen und war fasziniert von der mittelalterlichen Stadt und ihrer Tuchmachertradition. Ich bin hergefahren und habe mich entschieden, den Neuanfang zu wagen. Meine Freunde dachten, ich sei verrückt geworden. Damals war alles dunkel in der Stadt, ziemlich verfallen und es gab kaum Geschäfte. Aber ich habe mich schnell eingelebt hier, mich mit neu zugezogenen und alten eingesessenen Görlitzern angefreundet, und mit ihnen eine Ausstellung über die mittelalterliche Tuchmacher-Tradition der Region organisiert. Ich bin selber Textilkünstlerin, und interessiere mich sehr für das schlesische Kunsthandwerk.

Ich bin 160 Kilometer von Görlitz entfernt in Breslau geboren. Schon länger hat es an mir genagt, in die Gegend zurückzukehren. Leider wird hier vernachlässigt, was mal Substanz war. Damals lief gerade die Bewerbung von Görlitz als Kulturhauptstadt, da war sehr viel Bewegung in der Stadt, die kulturelle Szene blühte. Aber danach ist alles wieder verfallen hier. Nach der Wende hat die Stadt fast alle schönen Gebäude verkauft und die verfallen heute. Die Investoren haben kein Geld mehr. Mir hat jemand damals geraten: Mieten Sie hier was, kaufen lohnt sich nicht, das werden Sie nie wieder los.

Ich habe eine Wohnung gefunden, in einem Haus, das zu einem Teil in der Gotik, zum anderen Teil in der Renaissance gebaut wurde. Für die 145 Quadratmeter große Wohnung mitten in der Altstadt zahle ich rund 1000 Euro Miete. Also dafür lohnt es sich schon, so hochherrschaftlich könnte ich in Hamburg niemals leben. Ingesamt ist Görlitz schon eine gute Stadt fürs Alter. Hier wird nicht so viel geboxt, nicht wie auf der Mönkebergstraße. Hier geht es gemächlicher zu. Meine Entscheidung herzuziehen habe ich nicht bereut.

Protokoll: Ulrike Linzer

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/hier-wird-nicht-viel-geboxt/feed/ 0
“Subventionierte Schwarzarbeit darf nicht sein” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/subventionierte-schwarzarbeit-darf-nicht-sein/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=subventionierte-schwarzarbeit-darf-nicht-sein http://www.wahlfahrt09.de/menschen/subventionierte-schwarzarbeit-darf-nicht-sein/#comments Sat, 15 Aug 2009 09:42:29 +0000 Kathleen Fietz http://www.wahlfahrt09.de/?p=298 GÖRLITZ. Brigitte N.,57,  wirft Görlitzer Vereinen vor, mit der Vergabe von 1,50-Euro-Jobs Geld zu verdienen. Fotografieren lassen wollte sie sich nicht. Schließlich trage sie Uniform. Sie ist arbeitssuchend und arbeitet ehrenamtlich für die Sächsische Sicherheitswacht

Was ärgert Sie in Görlitz?

In Görlitz gibt es Vereine, die vermitteln 1,50-Euro-Jobber zum Beispiel als Haushaltshilfen. Ich kann hier keine Namen nennen, aber diese Vereine nehmen normalen Arbeitskräften die Arbeitsplätze weg und bekommen dafür Geld vom Arbeitsamt und werden zusätzlich noch von den Leuten, für die die 1,50-Euro-Jobber arbeiten, bezahlt. Die arbeiten also in regulären Jobs, was gar nicht sein dürfte.

Tun Sie etwas dagegen?

Ich bin zur Gewerkschaft, zur IHK und zur Handwerkskammer gegangen. Und zu den Parteien und wollte eine Stellungnahme dazu haben. Die Gewerkschaft sagt, sie waren schon immer dagegen, ja auch gegen Hartz IV. Von den Kammern hab ich noch keine Antwort, da warte ich immer noch geduldig. Herr Gunkel von der SPD sagt, er sei immer dagegen gewesen und sie wollen ja, dass das verbessert wird. Aber das glaub ich denen nicht, da ist ja auch immer dieser Fraktionszwang.

Und die anderen Parteien?

Herr Bandmann von der CDU hat mich auf der Straße vor seinem Büro abgewimmelt. Und hat gesagt, wenn es so was in Sachsen gäbe, würde er sich schon drum kümmern.

Sind Sie denn sicher, dass das mit den 1,50-Euro-Jobs auch in Sachsen passiert?

Ich kenne Leute hier in der Stadt, die in solche Jobs vermittelt werden sollten. Das ist subventionierte Schwarzarbeit. Das darf nicht sein.

Was wollen Sie weiterhin tun?

Von den anderen Parteien hab ich noch nichts gehört. Ich warte immer noch geduldig auf Antwort. Und der Frau Merkel schicke ich auch noch einen Brief.

Interview: Kathleen Fietz

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/menschen/subventionierte-schwarzarbeit-darf-nicht-sein/feed/ 0
Tagebuch: Wohlfahrt http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/wohlfahrt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wohlfahrt http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/wohlfahrt/#comments Sat, 15 Aug 2009 09:34:53 +0000 Kathleen Fietz http://www.wahlfahrt09.de/?p=286 GÖRLITZ_TAGEBUCH_02

Foto: Michael Bennett

„Da muss O statt A stehen. Das sollte Wohlfahrt statt Wahlfahrt heißen!“, ruft ein Passant, als er an unserem Wagen vorbeigeht. So Unrecht hat der Görlitzer nicht. Auch heute wieder kommen die Leute mit alten Fotos, Büchern oder einer Auflistung ihrer Lebenshaltungskosten als Beweis, dass sie von ihrer Rente nicht leben können. Auf der einen Seite unseres Schreib-Biertisches steht ein polnischer Journalist, der gegen die NPD-Plakate „Polen-Invasion stoppen“ anschreibt, an der anderen Seite schimpft ein Rentner, dass ständig jugendliche Polen in Görlitz Leute überfallen würden. Um die Ecke macht Hertie Räumungsverkauf, ab nächste Woche bleibt das Kaufhaus geschlossen – auch ein Thema, das die GörlitzerInnen bewegt.

]]>
http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/wohlfahrt/feed/ 1