Wahlfahrt09 » FDP http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 Wahlfahrt09 – das war’s http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlfahrt09-das-wars http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/#comments Mon, 28 Sep 2009 13:29:07 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3404

20090928_wahlfahrt09_reichstag

Foto: Jörn Neumann

DEUTSCHLAND. Deutschland vor der Wahl jenseits der politischen Ballungszentren erleben – die Wahlfahrt09 reiste in 50 Tagen durch 20 Orte im Norden, Süden, Osten und Westen Deutschlands: Dabei führte die Tour über Eisenhüttenstadt hinunter nach Konstanz, über Leidingen nach Duisburg-Marxloh, in den hohen Norden nach Breitenfelde und Wismar, übers Wendland und schließlich nach Haldensleben in der Börde.

Am Wahlfahrt09-Stand zwischen den Fachwerkhäusern der Altstadt Haldensleben. Wochenlang haben wir gewartet, um 18 Uhr sind die Prognose und die ersten Hochrechnungen da: Mehrheit für Schwarz-Gelb. Ein Passant mit Sonnenbrille und Eishörnchen kommentiert: “Also ich hab die nicht gewählt.” Auch das Team der Wahlfahrt09 ist überrascht – denn Menschen, die CDU und FDP nahe stehen, haben wir auf unserer 50-tägigen Reise durch 20 Orte kaum getroffen.

Ein Rückblick auf einen Wahlkampfbesuch auf dem Heumarkt in Köln vor zwei Wochen: An diesem Abend wird Steinmeier auftreten, schon am frühen Nachmittag prangt der überdimensionale SPD-Würfel auf dem leeren Platz. Die Volkspartei gibt sich modern und interaktiv: Die Jusos haben junge Frauen angestellt, die andere Frauen mit einem „Ich kann Aufsichtsrat“-Schild fotografieren. An einem Touchscreen lassen sich personalisierte Wahlkampfprogramme ausdrucken. Eine Hartz-IV-Empfängerin humpelt über den Platz. Nach zwei Bandscheibenvorfällen kann die ehemalige Fleischerin nicht mehr arbeiten. Sie will sich Steinmeier nicht ansehen, denn die Politiker, sagt sie, lügen doch alle.

Viele sehen keine Perspektive mehr

„Wir dürfen das Ziel der Vollbeschäftigung nicht aufgeben“, tönt Steinmeier am Abend auf dem Höhepunkt seiner Wahlrede. Es wirkt antrainiert, ein reiner Slogan. Selbst Stammwähler der Partei, die in einer Kneipe am Rand sitzen, überzeugt das nicht. In ganz Deutschland gibt es zur Zeit 3,47 Millionen Arbeitslose, Tendenz steigend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen steht in jedem Parteiprogramm – bei einigen auch gemeinsam mit dem kleinen Bruder der Vollbeschäftigung, dem Mindestlohn. Menschen wie die Fleischerin treffen wir oft auf der Wahlfahrt: Die sich von niemandem repräsentiert fühlen, die vieles verloren haben, die keine Perspektive mehr für sich sehen.

In Wismar sind durch die Schließung der Werft 1200 Menschen in Kurzarbeit. In Halle hat der Strukturwandel ganze Stadtteile entvölkert. Die Krise findet sich sogar in wohlhabenden Kommunen wie Konstanz – dort waren in diesem Jahr die Campingplätze ausgebucht, weil viele Deutsche kein Geld mehr für den Auslandsurlaub haben. Selbst in Wiesbaden mit seiner hohen Millionärsdichte stehen die Arbeitslosen trotz öffentlichem Trinkverbot in den Seitenstraßen.

Deutsche Problemecken

In Duisburg-Marxloh, wo türkische Brautmodenläden viele deutsche Geschäfte verdrängt haben, bevölkern vor allem Deutsche die „Problemecken“ des Stadtteils. So nennt der dortige CDU-Bürgermeister Adolf Sauerland die deutschen Drogenabhängigen auf den Bänken am Marktplatz, die seit der Schließung der Fixerstube keinen Anlaufpunkt mehr haben. In der Marktklause gegenüber von unserem Stand sitzen schon früh morgens die Alkoholiker und trinken ihre Schnäpschen zu lauter 80er Jahre Schlagermusik. Zwischen denWahlkampfplakaten von Linkspartei und SPD hängen Schilder mit dem Slogan „Aufbau Duisburg statt Aufbau Ost“.

Diese Beobachtungen sind zum Teil natürlich auch dem Konzept der Wahlfahrt09 geschuldet: Wir parken an zentralen Plätzen der Stadt, arbeiten dort an Biertischen unter freiem Himmel. Natürlich treffen wir also vor allem Leute, die keinen Ort haben, an dem sie sein müssen: Arbeitslose, Rentner, Obdachlose. Ihre Probleme bekommen wir auf der Wahlfahrt09 besonders häufig mit. Viele sind unzufrieden: Sie bekommen zu wenig Rente, zu wenig Hartz IV, reden sich in Rage, werden laut, deuten mit Zeigefingern auf uns, wenn sie die Politiker beschimpfen, mal als Abzocker, mal als Lügner, mal als Verbrecher.

Aufbau Ost, Abbau West

Das ist 20 Jahre nach der Wiedervereinigung im Osten wie im Westen gleich. In Eisenhüttenstadt, wo seit der Wende tausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind, wird gerade für 630 Millionen Euro ein neues Papierwerk gebaut, gefördert mit Mitteln der EU – ein Tropfen auf den heißen Stein, gerade mal 600 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Im niederfränkischen Hof leiden die Betriebe unter der Konkurrenz aus dem Osten, die noch gefördert wird – während im Westen, wo nichts zu fördern ist, das Problem der Arbeitslosigkeit viel stärker zu Tage tritt.

Dort lässt sich die Arbeitslosigkeit noch nicht einmal mit dem Versagen des Sozialismus erklären. Unsere Reise macht deutlich, dass die gesellschaftlichen Veränderungen und die Verwerfungen in der internationalen Arbeitsteilung viel weiter reichen, als es die Deutschen wahrhaben wollen. Mag sein, dass Deutschland Exportweltmeister ist, dass eine zukünftige Bildungsoffensive oder der Ausbau regenerativer Energien und grüner Technologien zukünftige Generationen beschäftigen wird – aber Hunderttausende sind im Hightechland überflüssig geworden. Sie sitzen jetzt in den Problemecken, lungern vor dem Supermarkt herum, sammeln Flaschen und durchwühlen Mülleimer.

Engagement und Gesicht zeigen

Doch es gibt auch Lichtblicke: Es kommen viele engagierte Menschen zum Wahlfahrt09-Stand. Sie arbeiten ehrenamtlich für Bürgerinitiativen, den städtischen Sicherheitsdienst in Görlitz oder als Sporttrainer im Wismarer Kanuverein. Menschen, die sich für konkrete Anliegen engagieren: Der Rentner, der sich für das deutsch-polnische Verhältnis in der Grenzstadt Görlitz-Zgorzelec einsetzt und gegen die NPD Gesicht zeigt; der Azubi, der in seiner Freizeit im Bürgerradio die Spitzenkandidaten des Landtags interviewt oder die Studenten vom Postkult e.V. in Halle-Glaucha, die mit einem Gemeinschaftsgarten gegen den Leerstand in ihrem Stadtteil ankämpfen und die Bürger dort wieder zusammen bringen wollen. Viele von ihnen sind Bildungsbürger, Rentner, Akademiker und Studenten.

Auf eine Bewegung der sozial Schwachen treffen wir aber nicht. Ein LKW-Fahrer, den wir auf einem Rastplatz trafen, drückte es so aus: „Wir könnten ja mal demonstrieren gehen. Aber dafür geht es uns wohl noch nicht schlecht genug.“ Nur einige Hartz-IV-Empfänger in Wiesbaden machen den Gegenangriff auf die öffentliche Wahrnehmung: Die „Initiative neue soziale Gerechtigkeit“ plakatiert alle zwei Wochen die Stadt mit schwarzweißen Postern, auf denen sie von Schikanen, Demütigungen und rechtswidriger Behandlung von Hartz IV-Empfängern sprechen und die Mitarbeiter zuständiger Behörden namentlich anprangern. Mehrheitsfähig sind sie mit ihrem umstrittenen Vorgehen aber nicht.

Ganz besonders leise sind die Frauen. Wir sprechen Passantinnen gezielt an, weil von selbst immer nur die Männer kommen. Sie sagen zwischen den Zeilen, dass sie in der Krise Besseres zu tun haben als zu politisieren. Wer soll sich um Kinder und Haushalt kümmern, wenn die Männer auf den Straßen abhängen? Wie das Überleben sichern? Manch eine gesteht, dass es ohne die Lebensmittelspenden von der Tafel nicht ginge.

Afghanistan, Europa und Außenpolitik sind kein Thema

Wohl auch, weil die Bundeswehr ein sicherer Arbeitgeber ist, gibt es von den Menschen, die im Bundeswehrstandort Sigmaringen leben, kaum Kritik am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Nur selten gab es so etwas wie grimmige Solidarität und Unterstützung für “unsere Jungs da unten”. Für viele junge Männer sind die Bonuszahlungen für Auslandseinsätze eine willkommene Einnahmequelle, auch wenn nur wenige wirklich vom Sinn des Einsatzes überzeugt sind. Afghanistan ist ein Thema, das weder im Wahlkampf noch in unseren Gesprächen an vorderster Stelle stand. So war es auch mit anderen außenpolitischen Fragen, etwa wie Deutschland sich innerhalb Europas positioniert.

Aus der Perspektive der ausländischen Wahlbeobachter, die wir am Rande eines Wahlauftritts von Gregor Gysi in Halle trafen, ist besonders die wichtigste Frage im Wahlkampf ausgeklammert worden: Wie die Wirtschaftskrise und das Arbeitslosenproblem eigentlich konkret gelöst werden sollen, sobald die Wahl vorbei ist. Der Franzose Jay Rowell wundert sich: „Es müssen schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen.“ Offenbar gebe es einen Konsens, „diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen.“

Auch sein holländischer Kollege Ton Nijhuis wundert sich über den Wahlkampf: Wenn viele Menschen nicht daran glaubten, dass die Politik die Arbeitslosigkeit bekämpfen könne, werde das von den Wahlforschern als „Politikverdrossenheit“ interpretiert: „Ich würde sagen, das ist Realismus erwachsener Bürger, die genau wissen, dass man viele Versprechungen aus dem Wahlkampf nicht einhalten kann.“

Die Wahlfahrt09-Analyse

Gleichzeitig fischt Gregor Gysi auf dem Hallenser Marktplatz nach Proteststimmen: „Selbst wenn Sie Grüne oder SPD wählen wollen – wenn Sie wollen, dass diese Parteien wieder sozialere Politik machen, müssen Sie die die Linke wählen.“ Protest wählen scheint vielen Menschen die letzte Lösung zu sein: Linkspartei, NPD oder ungültig stimmen.

Die politische Stimmung im Land, das ist das Fazit der Wahlfahrt, ist stark abhängig von der ganz persönlichen Lebenssituation der Menschen. Die Grünen wählen diejenigen, die unter Flugschneisen und in der Nähe des Atommüll-Zwischenlagers in Gorleben wohnen.

Und so betrachten wir am Ende unserer Reise das Wahlergebnis aus der Perspektive unserer Gesprächspartner: Zwar hat die Koalition aus CDU und FDP genug Stimmen bekommen, um das Land zu regieren. Aber nimmt man die rund 30 Prozent Nichtwähler und die vielen Protestwähler zusammen: Dann stehen hinter diesem Wahlergebnis vor allem Millionen Deutsche, die ein Gefühl eint: Keine Wahl gehabt zu haben.

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„Niemand redet darüber, wie die Krise nach der Wahl bewältigt werden soll“ http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/#comments Thu, 24 Sep 2009 14:33:53 +0000 Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=3455 Foto: Jörn NeumannFoto: Jörn Neumann

HALLE. Jay Rowell ist seit 2001 Forscher in Politische Soziologie an der Centre National de Recherche Scientifique (CNRS). Er leitet seit 2007 das Strassburger Forschungsinstitut Groupe de Sociologie Politique Européenne (www.gspe.eu) und ist seit 2006 stellvertretender Direktor vom Centre interdisciplinaire de recherches et d’études sur l’Allemagne. Seine Forschung und Lehrtätigkeit betrifft die Soziologie des Staates, Politisierung und Studien über die Sozialpolitik in Europa und in der EU.

Viele Deutsche finden den Wahlkampf langweilig. Sie auch?

Ja, jeder spielt ziemlich defensiv. Mich erstaunt es besonders, dass gerade die kleinen Parteien nicht in die Offensive gehen. Dabei könnten sie gegenüber der großen Koalition so gut punkten.

Sie haben Westerwelle, Künast und Gysi gesehen – sind die nicht laut?

Westerwelle ist natürlich am lautesten, den habe ich gestern in München gesehen. Er hat von Steuersenkungen gesprochen, war aber nicht überzeugend: Es gab keine konkreten Aussagen, was er in einer schwarz-gelben Koalition machen wird. Es wurden alle Themen angesprochen, Bildung, Wirtschaft, die klassischen Themen der FDP, aber gerade bei Wirtschaftsliberalismus hätte ich mehr erwartet. Der Diskurs bleibt im Allgemeinen und sehr abstrakt, man hätte auch mehr Beispiele nehmen müssen. Das fehlt bei eigentlich allen bis auf Gysi.

Wie erklären Sie sich die Friedlichkeit der Parteien?

Das hat zum Einen mit der Wirtschaftskrise zu tun, die in der Großen Koalition gemeinsam bekämpft wurde. So können weder SPD noch CDU heute sagen, sie würden alles anders machen.  Und zum Anderen hat es mit der politischen Kultur zu tun: Es geht sehr viel um Kompetenz und Sachlichkeit. Das hat man im Kanzlerduell gesehen, da blieb die Diskussion immer sehr sachlich, es fehlte an Emotionen, Bildern und Symbolen. Vielleicht wagt man wegen der deutschen Vergangenheit nicht, populistisch oder emotional zu punkten.

Es fehlen also die strittigen Themen.

Was mich sehr erstaunt ist, dass es in dieser Debatte gar nicht so sehr darum geht, was nach der Wahl kommt. Die Krise ist ja schon ein Jahr alt, und auch wenn es langsam wieder aufwärts geht, kommt erst Morgen die schmerzhafte Entscheidung, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen. Es gibt offenbar einen Konsens, diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen. 2005 hat die CDU das gemacht und fast verloren. Hier müssten die Journalisten die Kandidaten herausfordern und nachfragen, wie etwa Steuersenkungen finanziert werden sollen. Westerwelle sagt, das würde die Wirtschaft ankurbeln und sich dadurch refinanzieren, aber weiß seit Reagan 1981, dass das nicht funktioniert. Aber auch die SPD sagt nicht, wie es weitergehen soll, die Grünen mogeln sich um das Thema herum, und Merkel ist ebenfalls in der Defensive und hat Angst, den Wahlsieg noch zu verspielen.

Ist dieser Konsens-Wahlkampf typisch deutsch?

In Deutschland herrscht Konsens: Die Krise ist von außerhalb gekommen, es gibt zwar strukturelle Probleme, aber keine Schuldzuweisungen, nur bei den Linken findet man das. In Frankreich gibt es Versuche, die Schuld für die Krise auf nationaler Ebene anderen zuzuschieben: Weil angeblich Sarkozy und seine Vorgänger Deregulationspolitik betrieben haben.

Würden Franzosen Merkel oder Steinmeier wählen?

Ganz bestimmt nicht! Wobei in Frankreich im Grunde genommen Wahlen wie in Deutschland gewonnen werden: Man verspricht viel, das man hinterher nicht einhalten kann. Nur populistischer. Diese Bescheidenheit der beiden Kandidaten, das wäre in Frankreich unmöglich. Ein aufgeblähtes Ego ist sogar beliebt. Man sucht jemanden, der entscheiden kann, der durchsetzungsfähig ist und viel verspricht, das hat damit zu tun, dass der französische Präsident viel allein entscheiden kann, in Deutschland müssen die Politiker zusammenarbeiten und konsensfähig sein. Das erzeugt dann verschiedene politische Kulturen.

Mit welchen Themen könnte Steinmeier noch punkten?

Ich würde auf die Ängste abzielen, dass die FDP oder Schwarz-Gelb den Sozialstaat abbauen oder Steuern nur für die obere Schicht senken wollen. Das Problem ist, dass die SPD mit Hartz IV Reformen gegen den kleinen Mann gemacht hat, das muss sie jetzt anders machen. Und Steinmeier hat das alles mit entschieden. Daran wird die SPD noch lange zu knabbern haben.

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Liberale missionieren nicht http://www.wahlfahrt09.de/menschen/liberale-missonieren-nicht/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=liberale-missonieren-nicht http://www.wahlfahrt09.de/menschen/liberale-missonieren-nicht/#comments Sun, 13 Sep 2009 12:40:54 +0000 Lena Gürtler http://www.wahlfahrt09.de/?p=2684 FDP-Sanitäter3OSNABRÜCK. Simon Biederbeck (25) ist Wahlkämpfer an der Basis. Für seine Partei, die FDP, wirbt er in Osnabrück auf der Straße. Dabei kommt der Jura-Student mit vielen Menschen ins Gespräch – als FDP-Missionar sieht er sich trotzdem nicht.

„Wenn ich am Wahlkampfstand stehe, sind Jugendliche generell offener. Die fragen: ‚Für was steht ihr eigentlich?‘ Die Älteren sind festgelegter, haben schon fertige Meinungen über eine Partei. Denen, die sagen: ‚Mit Wählen erreicht man nichts‘, sage ich: Damit überlässt man anderen seine Stimme. Demokratie hat viele Vorteile. Selbst die Tatsache, dass man sagen kann: Ich kann damit nichts anfangen. In Nordkorea dürfte man das wohl kaum. Ich bin seit drei Jahren Mitglied in der FDP. Ein Bekannter an der Uni hat mich auf die Idee gebracht einzutreten. Ich finde gut, dass die FDP auf mehr Eigenverantwortung und auf weniger Staat setzt. Dass erzähle ich auch den Leuten, wenn ich Wahlkampf mache. Aber es macht keinen Sinn, jemanden umstimmen zu wollen, der komplett andere Grundüberzeugungen hat.  Wenn jemand etwas ganz anderes möchte, muss man das akzeptieren. Missionieren ist keine liberale Herangehensweise. Man muss wissen, dass man nicht jeden überzeugen kann. Das muss man als Demokrat abkönnen. Sicherlich gibt es Grenzen der Akzeptanz, zum Beispiel bei der NPD.

Natürlich kann ich nicht auf alle Detailfragen zum FDP-Programm antworten, auch wenn ich das Programm gelesen habe. Mein Fachbereich ist Innen- und Rechtspolitik. Am interessantesten finde ich, wenn die Leute, die an den Stand kommen, von ihrem Leben erzählen. Manche haben auch kuriose Anfragen. Zum Beispiel, ob wir noch etwas für die Zurückgewinnung Ostpreußens tun könnten. Ich will mich darüber nicht lustig machen, aber außenpolitisch ist das natürlich unakzeptabel. Manchmal wurde ich auch beschimpft. Aber ich nehme das nicht persönlich. Das ist eine Frage der Professionalität.

Auch ich stimme nicht in allen Punkten mit den Zielen der FDP überein. Beim Thema Sterbehilfe bin ich beispielsweise anderer Meinung. Aber im Wahlkampf beim Gespräch mit den Leuten auf der Straße vertrete ich trotzdem die FDP-Position.

Innerhalb der Partei kann man natürlich versuchen, auf das Programm Einfluss zu nehmen. Dafür muss man Anträge einreichen. Auf Kreisebene habe ich das auch schon gemacht. Dabei ging es um die Position von Rettungshelfern. Auf Bundesebene ist das natürlich viel schwieriger. Da muss man sehen, ob sich der Aufwand lohnt. Ich habe noch nie gehört, dass ein einzelnes Mitglied mit einem Antrag so weit nach oben gekommen ist. Trotzdem kann man mitbestimmen, durch seine eigenen Delegierten und durch das Internet. Grundsätzlich sollten sich die Parteien überlegen, ob sie mehr Beteiligung durch das Internet ermöglichen. Sonst haben die Leute das Gefühl, sie können nichts verändern. Die neuen Medien geben innerhalb einer Partei auch denen eine Chance, die sich nicht so gut artikulieren können.“

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Friede, Freude, Wahlsieg http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/friede-freude-wahlsieg/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=friede-freude-wahlsieg http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/friede-freude-wahlsieg/#comments Sun, 13 Sep 2009 12:21:48 +0000 Lena Gürtler, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=3041 Foto: Milos Djuric

Foto: Milos Djuric

OSNABRÜCK. Krieg oder Frieden – ein hoch emotionales Thema, das nicht zum ersten Mal über Wahlsieg oder –niederlage entscheiden könnte. Nach der Linken versucht nun auch die SPD, mit ihrem Afghanistan-Papier ihr Friedensprofil zu schärfen. Nagelprobe für die Friedensrhetorik der Wahlkämpfer: Ein Besuch in der Hochburg der Friedensbewegung im niedersächsischen Osnabrück.

Eine Collage aus Zeitungsausschnitten: Schlagzeilen über Deutschland im WM-Fieber neben Bildern von ausgebombten Häusern im Libanon. Darüber legt sich ein halbtransparentes Muster aus Rottönen – erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es Gefangene in Guantanamo sind. Sylvia Lüdtke thematisiert in ihren Bildern die Gleichzeitigkeit von Krieg und Frieden. “Ein tiefes Friedenssehnen” treibt die Künstlerin an. Eine Sehnsucht, die sie mit einer ganzen Stadt teilt: In Osnabrück wurde 1648 der Dreißigjährige Krieg mit dem westfälischen Frieden beendet. Bis heute steht auf dem gelben Schild am Ortseingang “Friedensstadt.”

Allein 43 Organisationen beschäftigen sich in Osnabrück mit dem Thema Frieden. Zusammen mit ihren Kindern geht Sylvia Lüdtke auf die regelmäßigen Friedensdemos in der Stadt, protestiert dabei auch gegen einen Krieg, der in Deutschland offiziell nicht so genannt werden darf. Die deutschen Truppen in Afghanistan sind auf “Friedensmission”. Ein Thema, das die Osnabrücker umtreibt, gerade auch im Wahlkampf. An einer Autobahnabfahrt hat jemand quer über den FDP-Slogan “Raus aus Afghanistan” geklebt. Nicht unbedingt eine Forderung der Liberalen. Der Spruch klingt sehr nach der Linken. Die versuchen schon lange, mit dem Krieg am Hindukusch Wahlkampf zu machen.

Die anderen Parteien geraten in Zugzwang, müssen Position zu Afghanistan beziehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Frage um Krieg und Frieden die Wahl mitentscheidet: 2002 hat sich Gerhard Schröder durch sein “Nein” zu deutschen Truppen im Irak noch einmal auf den Kanzlersessel gerettet. In diesem Wahlkampf also Afghanistan, mit einem Unterschied: Deutsche Soldaten sind schon da, die Positionierung der Parteien wird dadurch ungleich schwieriger, ein Samthandschuh-Thema für die Parteien.

Anders die Osnabrücker. Sie suchen die Auseinandersetzung mit dem Thema. “Das Friedensthema ist ansteckend, Osnabrück ist ein friedensbewegter Ort”, sagt der Politikwissenschaftler Roland Czada. Er ist Professor an der Osnabrücker Universität und Leiter der Osnabrücker Friedensgespräche. Diese Veranstaltungen seien immer voll, in anderen Städten habe er das bei ähnlichen Themen ganz anders erlebt. Kürzlich hatte Friedensforscher Czada zu einer Diskussion über den Truppeneinsatz in Afghanistan geladen: “Das Thema wurde von den Osnabrückern viel kontroverser diskutiert als von den Parteien: Die fetzten sich wirklich: war es richtig, da reinzugehen oder zwingen wir uns den Afghanen auf?” Nach Meinung des Politikwissenschaftlers hat Steinmeier mit seiner Festlegung auf ein Abzugsdatum ab 2013 das einzig Richtige getan: “Er profiliert sich im Wahlkampf zunehmend auf dem Feld, für das er als Minister zuständig ist: die Außenpolitik.”

Die CDU hingegen bringe das Thema Afghanistan in die Bredouille, sagt Czada. Ihr Verteidigungsminister ist – wenn er überhaupt mal auftaucht – in Erklärungsnot. Wenn Soldaten tot aus Afghanistan nach Deutschland gebracht und gleichzeitig die Rufe nach Abzug noch lauter werden, darf Franz Josef Jung die Soldaten nicht einmal “Gefallene” nennen. Auf ein Ende des Einsatzes der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan will sich die CDU nicht festlegen. Der Einsatz am Hindukusch taugt für die CDU nicht dazu, Wahlkampf-Punkte in einem Land zu sammeln, in dem mehr als jeder zweite Bürger für einen schnellen Abzug ist.

Foto: Milos Djuric

Foto: Milos Djuric

Die überklebten FDP-Plakate sind eigentlich eine hervorragende Vorlage für die Wahlkampfrede von Guido Westerwelle an diesem Nachmittag in Osnabrück. Die Wahlkampfbühne ist vor dem Rathaus aufgebaut. Hier befindet sich der “Friedensaal”, in dem Katholiken und Protestanten den Dreißigjährigen Krieg beendeten. Überall in der Innenstadt verteilt: Rostrote Installationen, aus denen Apfel-Bäume wachsen. Sie erinnern an die Varus-Schlacht vor 2000 Jahren. Das Thema Krieg wird auch beim FDP-Chef vorkommen: Er spricht über die Abrüstung von Atomwaffen. Die Frage nach dem Truppenabzug aus Afghanistan lässt er geflissentlich beiseite.

“Für die FDP und die Grünen ist das Thema nur begrenzt wahlkampftauglich”, sagt Friedensforscher Czada. Die FDP wolle es sich nicht mit der CDU als mögliche Koalitionspartnerin verderben. Die Grünen wiederum haben als ehemals friedensbewegte Partei, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an mitgetragen. Nicht selten werden sie von ihren Anhängern dafür angegriffen. Afghanistan ist für die Grünen ein Thema, das sie lieber nicht in die Schlaglichter des Wahlkampfes rücken wollen, so Czada. “Wenn eine Partei mit dem Thema Wählerstimmen holen kann, dann ist es die Linke.” Sie ist grundsätzlich gegen deutsche Soldaten im Ausland und scheint damit den Friedens-Nerv vieler Wähler zu treffen. “Grundsätzlich sehnen sich die meisten Menschen nach Frieden. Damit wird jede Diskussion um Afghanistan auch zu einer emotionalen Gradwanderung”, so der Friedensforscher.

“Ich habe Angst vor Krieg” oder “Wenn alle Herzen gleichzeitig im Takt für den Frieden schlagen würden, dann hätte man ein Erdbeben der Stärke sechs.” Das haben Ausstellungsbesucher in Sylvia Lüdtkes Friedensbücher geschrieben. Die Künstlerin fordert die Betrachter ihrer Bilder auf, ihre Wünsche und Gedanken niederzuschreiben. Das erste Mal hat Lüdtke die Friedensbücher in Osnabrücks türkische Partnerstadt Canakkale ausgestellt. Seitdem füllt sich Buch um Buch. Kunst gegen die eigene Furcht. Lüdtkes Vater ist Offizier: “Ich habe erst spät begriffen, dass mein Vater auch in den Krieg ziehen könnte. Das hat mir Angst gemacht.” Einen schnellen Abzug der Truppen aus Afghanistan hält sie trotzdem für zu riskant. “Abzug bedeutet noch kein Frieden.”

Ein Argument, um das auch die Linke im Wahlkampf eigentlich nicht herumkommen dürfte. Nur einen Tag nach Westerwelle hält Gregor Gysi vor dem Osnabrücker Rathaus eine Wahlkampfrede. Im Gegensatz zu seinem FDP-Widersacher fordert er vehement den Truppenabzug aus Afghanistan: Durch Kriegseinsätze könne man keinen Frieden schaffen. Applaus. Gysi und seine Partei sind die einzigen, die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan als Krieg bezeichnen. Glück für ihre Wahlkampfstrategie: Denn nur wer von Krieg spricht, kann von Frieden reden und damit Wähler locken.

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“Uns geht es noch zu gut” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/uns-geht-es-noch-zu-gut/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=uns-geht-es-noch-zu-gut http://www.wahlfahrt09.de/menschen/uns-geht-es-noch-zu-gut/#comments Wed, 09 Sep 2009 10:50:16 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=2278 Becker3

Foto: Lu Yen Roloff

UNTERWEGS. Die Wahlfahrt09 traf Jürgen Becker, LKW-Fahrer auf der Fahrt von Wiesbaden nach Duisburg. Auf einem Parkplatz an der Autobahn stand Becker zwischen anderen rastenden LKW-Fahrern herum und beäugte neugierig unseren Bauwagen. Bei Kartoffelsalat und Würstchen war dann kurz Zeit für einen Smalltalk zum Thema Politik.

“Ach, Sie sind auf der Wahlfahrt? Man weiß ja nicht mehr, was man wählen kann heutzutage. SPD geht nicht, CDU geht nicht, FDP schon gar nicht. Gar nicht wählen geht aber auch nicht, dann bekommen die Stimmen die anderen. Ich wähl zum ersten Mal die Linke. Der Gysi haut den Leuten wenigstens auf die Finger. Oder man macht es so wie ich bei der letzten Oberbürgermeisterwahl: Da hab ich nur alles durchgestrichen und hingeschrieben: Leckt mich am Arsch. Da gab es keine Option.

Die Politiker versprechen ja nur Dinge, die sie nicht halten können: Neue Arbeitsplätze. Aber es gibt keine neuen Arbeitsplätze, da ist Feierabend.

Ach, sie fahren nach Duisburg-Marxloh? Ja, da gibts viele Türken. Und Einbrüche. Das sind aber auch die Hartz-4-Empfänger, von denen gibt es zuviele. Wovon sollen die auch leben? Ich war selbst mal eine Zeitlang arbeitslos und hab von Hartz4 gelebt. Die wollten mir, weil ich ein paar Cent über dem Wohngeld-Satz lag, die Wohnung wegnehmen.

Wir könnten ja mal auf die Straße gehen und demonstrieren. In Italien und Frankreich, wenn denen was nicht passt, dann sperren sie die Autobahn, und wenn einer durch will, dann kriegt der eins auf die Fresse. Aber dafür gehts uns Deutschen noch zu gut, wir sind zu bequem. Da muss es erst noch schlimmer werden.”

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Jamaika lässt die Grünen blass aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/#comments Mon, 07 Sep 2009 14:34:56 +0000 Lu Yen Roloff, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2888 Wiesbaden_jamaika-4

Foto: Milos Djuric

Erschienen am 17. September auf Spiegel Online

WIESBADEN. Darf’s ein bisschen exotischer sein? Das Saarland könnte bald die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene bekommen. Im Wiesbadener Rathaus regiert Schwarz-Gelb-Grün bereits seit 2006. Zu kämpfen haben damit vor allem die Grünen.

Zwischen grünen Luftballons und Kisten mit Waldmeisterbrausetüten macht der Junggrüne Daniel Herwig in der Wiesbadener Fußgängerzone Wahlkampf – und gerät dabei zwischen die Fronten. „Was sagst Du den zur EBS?“ wirft ihm ein grauhaariger Mann mit Rucksack entgegen.

Plötzlich muss Herwig seine Partei gegenüber seinem ehemaligen Sportlehrer verteidigen. Im Stadtparlament haben die Grünen mit ihren Jamaikapartnern dafür gestimmt, ein ehemaliges Gerichtsgebäude mit zehn Millionen Euro zu sanieren, damit dort die European Business School, kurz EBS, einziehen kann. Die EBS macht Wiesbaden zur Universitätsstadt, ist aber auch eine Privatuniversität mit Studiengebühren von 13000 Euro pro Jahr. „Es ist nicht Aufgabe staatlicher Bildungspolitik, versnobbte Manager auszubilden“, empört sich der Lehrer. Er ist selbst seit 1993 bei den Grünen, nun aber enttäuscht über die grüne Fraktion im Stadtparlament, die seiner Meinung nach keine grüne Politik macht. Und überhaupt, gegen das geplante Kohlekraftwerk habe sie sich auch nicht stark genug positioniert.

Wiesbaden ist eine von sechs Kommunen, die den Versuch einer Jamaika-Koalition gewagt haben. Taugt das Beispiel Jamaika für Land oder Bund? Bislang hat es die Zusammenarbeit von CDU, Grünen und FDP noch nie über die kommunale Ebene hinausgeschafft.

Meist sind es die Grünen, die eine Koalition mit ihrem größten politischen Gegner, der FDP, ausschließen. In Frankfurt am Main zerbrach eine bereits ausgehandelte Koalition im Jahr 2001 nach nur einem Tag. Auch im hessischen Wiesbaden startete Schwarz-Gelb-Grün nur deswegen, weil sich SPD und CDU als ursprüngliche Koalitionsaspiranten während der Verhandlungen entzweit hatten. Hier hat die CDU mit 29 Mandaten eine klare Machtposition gegenüber ihren Koalitionspartnern: Die Grünen besitzen zehn Mandate, die FDP sieben.

Massenaustritt bei den Jungen Grünen

Die Ansiedlung der European Business School in Wiesbaden gilt als Prestigeprojekt des Oberbürgermeisters Helmut Müller. Der CDU-Mann ist zwar von den Wiesbadenern direkt gewählt, doch weiß er mit der CDU-geführten Koalition im Stadtparlament eine starke Mehrheit hinter sich. Die Koalition laufe prima, sagt er. „Alle wollen, dass sich die Hochschule in Wiesbaden ansiedelt, damit wir ein Wissenschaftsstandort werden.“

Viele Grüne an der Basis sehen das anders: Nachdem die Fraktion trotz Mitgliederentscheid für die Sanierung des EBS-Gebäudes mit städtischem Geld gestimmt hatte, trat mehr als die Hälfte der Wiesbadener jungen Grünen aus der Jugendorganisation der Partei aus. Ihr Vorwurf: Statt öffentliche Schulen zu sanieren, stütze man teure Privatunis. Auch der Junggrüne Herwig sagt, die grüne Fraktion vertrete ihre Positionen innerhalb der Koalition bisweilen nicht selbstbewusst genug – aus Angst vor einem Koalitionsbruch.

Die Wiesbadener haben ihre eigenen Meinungen zu der Koalitionsdisziplin der Grünen. Zwischen den Wahlkampfständen steht Rentner Herbert Müller – und spricht aus, was viele über die Grünen denken: „Die Grünen haben sich entlarvt: Wenn es um die Macht geht, dann wird verkleistert.“ Jamaika sei ein reines Zweckbündnis von Individuen, die sich gut bezahlte Posten sichern wollten. Für den ehemaligen Verwaltungsangestellten Müller ist die Sache klar: „Dabei kommt etwas raus, was nicht Fisch und nicht Fleisch ist – was die Grünen unter Jamaika machen, kann niemals grüne Politik sein.“

Streit ums Kohlekraftwerk

Noch deutlicher werden die Schwierigkeiten von Jamaika, wenn es um das geplantes Kohlekraftwerk geht. Das Kraftwerk, das der lokale Energieerzeuger bauen will, widerspricht der grünen Forderung nach einer nachhaltigen Energiepolitik. Im Koalitionsvertrag steht allerdings nur, dass die Koalition den Bau des Kraftwerks „kritisch“ sehe. An diesem Punkt sagt selbst der sonst loyale Junggrüne Herwig: „Das klingt für mich wie ausgeklammert.“ Tatsächlich rächte sich die vage Formulierung, als der Bau 2007 akut wurde: Die Bürger gingen auf die Straße, in der Stadt gründete sich ein Bündnis gegen das Kraftwerk, und die grüne Parteibasis forderte die Fraktion zum Handeln auf: Unter Führung der Fraktion solle das Stadtparlament den Vorstand des Energieerzeugers zum Baustopp auffordern. Trotz Veto von FDP und CDU brachten die Grünen den Antrag ein und gewannen dafür eine Mehrheit außerhalb der Koalition. Jamaika drohte zu zerbrechen.

In der Konfrontation mit Jamaika kann die SPD mit einer starken Oppositionspolitik punkten. Im Gegensatz zu den Grünen konnten sie sowohl gegen das Kohlekraftwerk als auch gegen die Sanierung des Gerichtsgebäudes für die Privatuni klar Position ergreifen. „Die SPD hat nichts dagegen, wenn Grüne und FDP sich streiten“, sagt Christoph Manjura. Er ist jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rathaus. Am Wahlkampfstand verteilt er wie seine Genossen Kugelschreiber und Flyer an vorbeischlendernde Passanten. Die SPD freut sich über den Zwist in der Koalition, hört man auch von anderen am Stand: Ließe sich doch jeder Kompromiss in der Koalition sowohl gegen die Einen wie die Anderen verwenden.

Atmosphärische Störungen

Beim CDU-Stand will man vom Stunk mit der grünen Fraktion dagegen zunächst nichts wissen. Karsten Koch, Sprecher für Planung, Bau und Verkehr, lobt sogar den Verkehrssprecher der Grünen als „verlässlichen Mann“: „Es läuft inhaltlich gut, wir können ordentlich was vorweisen“, sagt er. Man habe „überraschende Gemeinsamkeiten“ festgestellt, die auch auf Bundesebene bestünden: Etwa den Schutz des ungeborenen Lebens und die Bewahrung der Schöpfung vor Gentechnik. Da lägen christlicher Hintergrund und grüne Ansichten nah beieinander. Gut, es gebe gewisse „atmosphärische Störungen“ bei den Grünen, fügt er dann hinzu. „Man bekommt mit, dass Jamaika für die Fraktion eine große Zerreißprobe ist. Wir hoffen, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.“

Im Streit um den Grünen-Antrag zum Kohlkraftwerk konnte die Koalition gerade noch dadurch gerettet werden, dass der Bürgermeister den außerkoalitionären Beschluss als rechtswidrig ablehnte: Das Parlament könne nicht in die geschäftlichen Entscheidungen des Energieerzeugers eingreifen. Aufgrund der Wirtschaftskrise hat der Energieerzeuger inzwischen Schwierigkeiten, den Bau des Kohlekraftwerks zu finanzieren. Ob das Kohlekraftwerk kommt, ist derzeit offen, doch der Konflikt bleibt ungelöst.

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Jamaika in Wiesbaden: Ein schwieriger Fall für die Grünen http://www.wahlfahrt09.de/menschen/jamaika-in-wiesbaden-ein-schwieriger-fall-fur-die-grunen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jamaika-in-wiesbaden-ein-schwieriger-fall-fur-die-grunen http://www.wahlfahrt09.de/menschen/jamaika-in-wiesbaden-ein-schwieriger-fall-fur-die-grunen/#comments Mon, 07 Sep 2009 06:38:07 +0000 Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2471 Wiesbaden_Bettina_Schreiber

Foto: Milos Djuric

WIESBADEN. Im Saarland wird darüber nachgedacht, in der hessischen Landeshauptstadt ist es schon soweit: Seit 2006 regiert dort eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen. Das Bündnis ist deutschlandweit eines von sechs Jamaika-Koalitionen auf kommunaler Ebene. Bettina Schreiber ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Wiesbadener Stadtparlament. Im politischen Alltag streitet sie dabei weniger mit ihren Koalitionspartnern, als mit den eigenen Mitgliedern.

Frau Schreiber, Sie koalieren mit FDP und CDU, dem Feindbild vieler Grüner. Wie konnten Sie das durchsetzen?

Der Koalitionsvertrag trägt eine starke grüne Handschrift, vor allem in der Umwelt- und in der Verkehrspolitik. Wir haben zum Beispiel die Baumschutzverordnung wieder eingeführt und neue Fahrradwege sowie den Ausbau des Personennahverkehrs beschlossen.

Wie beurteilen Sie denn die Zusammenarbeit mit FDP und CDU bisher?

Eine Koalition mit drei Partnern ist anstrengend, für uns besonders mit FDP und CDU, aber bislang läuft es fair und offen.

Gerade aber mit der grünen Basis gibt es immer wieder Konflikte. Entgegen dem Willen der Basis hat Ihre Fraktion dafür gestimmt, mit städtischem Geld das Gebäude einer privaten Hochschule zu sanieren. Werden die Grünen zwischen CDU und FDP zerrieben?

Wir haben zum Wohle der Stadt entschieden. Wir geben die zehn Millionen Euro aus, um das Quartier aufzuwerten. Auf Hochschulpolitik haben wir als Kommunalpolitiker keinen Einfluss, aber auf die Lebensbedingungen in der Innenstadt. Genau so habe ich das auch auf der Mitgliederversammlung erklärt. Wir sind nicht nur den Grünen, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet

Auch beim geplanten Kohlekraftwerk konnten Sie sich nicht gegen CDU und FDP durchsetzen – und das berührt Grüne Grundpositionen.

Wir Grüne haben von Anfang an gegen das Kraftwerk Position bezogen. Aber das Thema war noch nicht so präsent, als wir die Koalition schlossen. Als es dann akut wurde, sind aber sowohl Partei und als auch Fraktion aktiv geworden. Wir haben mehrfach den Koalitionsbruch riskiert. Denn trotz Veto von CDU und FDP haben wir einen Beschluss der Parteimitglieder ins Stadtparlament eingebracht, der den Vorstand der Kraftwerksbetreiber aufgefordert hat, alle Planungen und den Bau des Kraftwerks zu stoppen. Die Mehrheit für diesen Antrag haben wir mit den Parteien außerhalb der Koalition gewonnen. Schließlich hat dann aber der Oberbürgermeister gegen diesen Antrag vor Gericht Beschwerde eingelegt: das Stadtparlament könne nicht in die Geschäfte der städtischen Gesellschaften eingreifen.

Geschickt: Koalition gerettet. Aber der Bau ist nicht verhindert. Diente dieser Antrag also nur der Beschwichtigung der Basis?

Nein, das ist unsere Überzeugung als Grüne. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, dass der Bau des Kraftwerks „kritisch“ gesehen wird, ist natürlich interpretationsbedürftig, aber genau deswegen kämpfen wir jetzt gegen das Kraftwerk. Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag war ausschlaggebend, dass wir grüne Punkte durchsetzen konnten und eben die Chance, überhaupt grüne Politik in Wiesbaden machen zu können.

Aktuell diskutieren Sie mit Ihren Koalitionspartnern die Gründung eines Landschaftsschutzgebietes rund um Wiesbaden. Die Frist ist beinahe abgelaufen, aber die Koalition hat sich noch nicht einigen können. Hier könnten sich die Grünen sehr gut einbringen. Woran hapert es?

An den unterschiedlichen Vorstellungen der Koalitionspartner. Für uns hat Natur- und Landschaftsschutz einen hohen Stellenwert, deshalb müssen wir klug verhandeln. Wir orientieren uns aber auch da an der Sache und wenn ein Kompromiss möglich und tragbar ist, dann machen wir das auch.

Welche Streitpunkte gibt es noch in der Koalition?

Zum Beispiel bei Bebauungsplänen. Da sagen CDU und FDP: Je mehr Baugebiete desto besser, dann kommen Familien hierher, und das kurbelt wiederum die Wirtschaft an. Wir dagegen wollen die Bebauungsgebiete nicht gleich ausweiten, sondern zunächst überprüfen, wie sie umwelt- und sozialverträglich verdichtet werden können. Wir wollen nachhaltig mit Natur und Umwelt umgehen.

Und welche Perspektive hat die Jamaika-Koalition in Wiesbaden?

Es geht ja nicht um die Koalition per se, es geht immer nur darum, abzuwägen: Ist es gut für die Stadt? Und ist es noch grüne Politik? Es wird sicherlich dann von der Partei die Reißleine gezogen, wenn es an die inhaltliche Substanz geht. Aufgrund der Finanzkrise wackelt im Moment die Finanzierung des Kohlekraftwerks. Wenn CDU und FDP jetzt zum Beispiel forcieren würden, dass die Stadt Bürgschaften zur Absicherung des Baus gibt, dann würde die Partei sicherlich die Reißleine ziehen.

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Wahlkampf bis der Regen kommt http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlkampf-bis-der-regen-kommt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlkampf-bis-der-regen-kommt http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlkampf-bis-der-regen-kommt/#comments Sun, 06 Sep 2009 14:27:41 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=2030 Wahlkampf Wiesbaden

Foto: Lu Yen Roloff

WIESBADEN. Fünf Parteien, 99 Luftballons und zwischen acht und zehn gute Gründe für Wähler, die ein oder andere Partei zu wählen. In Wiesbaden ging die Wahlfahrt09 zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit dem Wahlkampf.

„Papa, kann ich noch einen gelben Ballon?“ fragt die fünfjährige Lea ihren Vater. Gelb würde gut passen zu den vier grünen Ballons, die sie in der Hand hält. Doch Papa macht Wahlkampf am Stand der Grünen und sagt: „Nein, gelbe Ballons brauchen wir nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Weil wir lieber grüne Ballons haben“. Für Lea kein Argument. Papa schiebt hinterher: „Wir wollen keine Werbung für die machen, weil die für Atomkraftwerke sind.“

Die, das sind die Kollegen von der FDP, die sich gemäß ihres politischen Profils genau am anderen Ende der Wahlstandreihe in der Wiesbadener Fussgängerzone aufgebaut haben. Zum Wahlsamstag haben sich alle fünf Parteien auf 100 Metern versammelt. Das ist Demokratie zum Anfassen und vor allem: Mitnehmen. Ich stecke mir einen grünen Gummi-Apfelring in den Mund. Im Angebot sonst noch Waldmeisterbrause und der Test: Wie grün bist du? Vor allem die Kinder scheinen von der Partei überzeugt. Eine kleine Broschüre fasst die „Zehn Gründe, grün zu wählen“ zusammen. Also neue Arbeitsplätze, grüne Energiepolitik, Mindestlöhne, gerechte Globalisierung, Atomausstieg, Angleichung des Lohnniveaus von Frauen an das von Männern, Bildung, Freiheit im Internet, keine Gentechnik und Abschaffung der Wehrpflicht.

Dass die Fronten zwischen den Grünen und der SPD verschwimmen, zeigt der Wahlkämpfer am benachbarten SPD-Stand. Irritierenderweise trägt er ein grünes T-Shirt. Vielleicht eine Rot-Grün-Blindheit? Soll ja bei jedem achten Mann vorkommen. Auch nur acht gute Gründe hat die SPD für ihre Wähler definiert. Oder wie es zukunftsgewandt heißt: „Ziele, für die wir kämpfen“. Die Grünen haben aber zehn gute Gründe, sage ich und halte das kleine Merkheftchen auf Umweltpapier hoch. Es komme doch nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der Gründe an, protestiert der grüne SPDler. Also auf Mindestlöhne, kostenfreie Bildung, Klimaschutz, Unterstützung für Familien, Angleichung des Lohnniveaus für Frauen; dazu Integration, weniger Heuschrecken-Kapitalismus und Frank Walter Steinmeier. Dann gibt er zu: „Am Ende dominieren bei allen Parteien die gleichen Themen: Soziale Gerechtigkeit, Familien, Bildung.“ Warum? „Weil das die Menschen bewegt.“ Ich stecke gerade einen roten Kugelschreiber ein, als es zu einem kleinen Medienauflauf kommt. Die Wiesbadener Direktkandidatin Heidemarie Wieszorek-Zeul kommt mit roten Haaren und rotem Mantel persönlich zum Rote-Rosen-Verteilen vorbei. Die SPDler sind aufgeregt. So sieht also „Anpacken für unser Land“ aus.

Rosen verteilt auch das TeAM Deutschland von der CDU am nächsten Stand, allerdings rosafarbene. Sie liegen in einem Bastkorb, der mit Herbstblättern dekoriert ist. Die Wahlkämpferin und CDU-Stadträtin in der fliederfarbenen Kostümjacke kennt ihre Wiesbadener. Sie plaudert jovial mit den Passanten, ruft ein „Tschüssi!“ hier, ein „Bis zum Sauna-Essen!“ da. Schnell noch einen Blick in die zehn guten Gründe der CDU geworfen: Ach ja, Bildung, Integration, Familien, Angleichung des Lohnniveaus für Frauen, dazu noch etwas Sicherheit, auch in der Energiefrage. Und ein Punkt für die Zielgruppe Landwirte. Dann wird der Stand auch schon abgebaut. Ein Auftritt beim Stadtfest „Wiesbaden singt“ wartet, die CDU-Stadträtin wird dann mit dem Wiesbadener Magistratschor auf der Rathaustreppe zu hören sein. Und freut sich auf das Highlight: „Yellow Submarine“ von den Beatles.

Apropos gelb: Die FDP. An deren Stand lungert bereits ein gepiercter Heavy-Metal-Fan mit langen Haaren herum. Ob er einen der gelb-blauen Schwämme haben könne? Aber gerne. Beim letzten Wahlkampf, so berichtet der FDP-Wahlkämpfer in braunem Samtjackett, habe man statt einer blauen Schwammunterseite noch eine schwarze gehabt. Slogan damals: „Der größtmögliche Kontrast zu schwarz“. Diesmal geht es nicht ums Reinemachen durch Opposition, sondern um die mittels Schwamm transportierte Koalitionswilligkeit der FDP. Was ich mitbringen müsse, um die Partei gut zu finden, frage ich: „Sie müssen ein freiheitsliebender Mensch sein, der an die Eigeninitiative der Menschen glaubt und nicht fragt, was kann der Staat für mich machen“, antwortet der Wahlkämpfer, der normalerweise im hessischen Wirtschaftsministerium arbeitet. Weniger Arbeitsschutzmaßnahmen führen zu mehr Brutto vom Netto, dazu fordert die Partei eine günstigere Steuerpolitik für den Mittelstand und dass die Hartz-4-Sätze nach einem Jahr gesenkt werden sollen. So unsozial? Flugs spricht der Herr von den Finanzmärkten, die man besser kontrollieren müsse.

Na sowas, das wollen neben FDP, CDU, SPD und Grünen auch die Linken, die als einzige Partei kein Pavillonzelt, sondern nur einen Schirm haben. Das muss wohl der „Schutzschirm für Menschen“ sein, den die Parteizeitung „Klar“ fordert. Bevor ich dazu komme, die Giveaways einzusacken, setzt plötzlich ein heftiger Regenschauer ein. Der Regen treibt die Schnäppchenjäger und Luftballon-sammelnden Familien unter das Vordach von Karstadt.

Abrupt hat der Wahlkampf ein Ende. Die Linke klappt ihren Schutzschirm zusammen und verschwindet hastig. Auch die anderen Parteien sind weg. Nur die FDP hält wacker dem Wetter stand. Für einen Moment bin ich versucht, diese Standfestigkeit auf ihr politisches Profil zu schieben, schließlich heißt es dort ganz aktivierend in den zehn Gründen für den Parteieintritt: Ich bin dabei. Doch dann greifen sich vier FDPler das knallgelbe Zelt und wandern damit in die Nebengasse.

Zurück bleibt die leere Fußgängerzone von Wiesbaden. Das nennt man dann wohl Schönwetterpolitik.

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“Klimaschutz spielt im Wahlkampf eine zu kleine Rolle” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/klimaschutz-spielt-im-wahlkampf-eine-zu-kleine-rolle/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=klimaschutz-spielt-im-wahlkampf-eine-zu-kleine-rolle http://www.wahlfahrt09.de/menschen/klimaschutz-spielt-im-wahlkampf-eine-zu-kleine-rolle/#comments Sat, 29 Aug 2009 09:03:09 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=1773 Sigmaringen_Gehrhard_Stumpp

Foto: Milos Djuric

SIGMARINGEN. Gerhard Stumpp (52) ist Oberstudienrat und Stadtrat der Grünen in Sigmaringen. An der Liebfrauenschule leitet er die Solar-AG.

“Ich ärgere mich darüber, dass das Thema Klimaschutz im Wahlkampf eine zu geringe Rolle spielt und die CDU und die FDP die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke fordern. Ich halte das nicht für einen Beitrag zum Klimaschutz, weil damit Investitionen in neue Energien verlangsamt werden.

Die CDU und FDP verstehen sich als Parteien mit Wirtschaftskompetenz. Solange Atomstrom produziert wird, gibt es jedoch weniger Anreize für potenzielle Investoren, in regenerative Energien zu investieren. Deswegen verhalten sich CDU und FDP in der Frage der neuen Energien als Investitionsverhinderungsparteien. Meiner Meinung nach kommt das daher, dass es zu enge Verflechtungen zwischen diesen Parteien und den großen Energieversorgern gibt. Darüber hinaus spielt das Zwei-Grad-Ziel des Klimaschutzes praktisch keine Rolle im Wahlkampf – und das obwohl die Bundeskanzlerin dieses Ziel 2007 in Heiligendamm propagiert hat und es beim G8-Gipfel in L`Aquila bestätigt hat.

Ich finde das deswegen schlimm, weil der Klimaschutz das Thema des 21. Jahrhunderts ist und eine Überlebensfrage für die Menschheit. Die Ähnlichkeit der Klimaschutz-Problematik mit der Finanzkrisenproblematik ist, dass man für kurzfristig große Gewinne langfristig hohe Gemeinschäden in Kauf nimmt. Es hat mir noch niemand sagen können, wie hoch die personellen und sächlichen Kosten der Atommüllentsorgung in den nächsten hundert, tausend und hunderttausend Jahren sein werden. Aber diese Kosten entstehen und die überlassen wir unseren Kindern und Enkeln und deren Nachkommen. Das ist unverantwortlich. Es drängt sich der Gedanke auf, dass das vorläufige Endlager Asse zum Modell weiterer Endlager wird, am Schluss muss die öffentliche Hand die immensen Kosten tragen.

Ministerpräsident Oettinger von Baden-Württemberg hat vor zwei Tagen in Straßberg bei einer Wahlkampfveranstaltung nach Berichten der Schwäbischen Zeitung eine schwarze Designer-Unterhose geschenkt bekommen mit der sinngemäßen Aufschrift: Sie wissen ja gar nicht, wieviel Liebe darin steckt… Hier verkommt der Wahlkampf meiner Meinung nach zu einer Art Unterhaltungsklamauk. Und in so einer Atmosphäre kann man nicht die drängenden Probleme diskutieren.

Ich selbst bin Gymnasiallehrer. Wenn Schule die Kinder auf ihr Leben vorbereiten soll, dann muss das Thema Klimaschutz ganz vorne auf die Agenda der Schulen. Deswegen fordere ich ein eigenes Unterrichtsfach „Verantwortung Klima“.

Der Ausstieg aus der Atomenergie muss gemäß der Ausstiegsvereinbarung zwischen der ehemaligen Rot-Grün-Regierung und den großen Energieversorgern erfolgen. Die regenerativen Energien müssen zügig ausgebaut werden. Im Strombereich sollte man bis 2020 zwischen 30 und 47% regenerativ gewinnen – und bis 2050 muss man 80 % des CO2-Ausstoßes von heute beseitigt haben. Gegenüber der Zeit von 1850 darf sich das Klima nicht mehr als zwei Grad erwärmen – davon haben wir 0,75 Grad schon erreicht. Jeder Mensch darf mittel- bis langfristig nicht mehr als zwei Tonnen CO2 im Jahr verursachen, momentan sind es noch mehr als zehn Tonnen CO2 pro Bundesbürger. Das Ganze muss mit einer Bildungsinitiative begleitet werden, sonst sind diese Ziele nicht erreichbar.”

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“Politiker reden, reden, reden” http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politiker-reden-ohne-ende/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=politiker-reden-ohne-ende http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politiker-reden-ohne-ende/#comments Sat, 15 Aug 2009 16:07:25 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=906 Stefan Steingräber 300x200

(Foto & Audio Lu Yen Roloff)

GÖRLITZ. Stefan Steingräber (21) hat in Görlitz eine eigene Radiosendung beim Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal (SAEK). Im Rahmen einer Wahlsondersendung interviewte er die Spitzenkandidaten für die sächsische Landtagswahl. Und stellte fest: Politiker sind auch nicht allwissend.

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