Wahlfahrt09 » Erding http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 “Die Flughafenlobby schreibt sich die Gesetze selbst” http://www.wahlfahrt09.de/orte/%e2%80%9cdie-flughafenlobby-schreibt-sich-die-gesetze-selbst%e2%80%9d/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259cdie-flughafenlobby-schreibt-sich-die-gesetze-selbst%25e2%2580%259d http://www.wahlfahrt09.de/orte/%e2%80%9cdie-flughafenlobby-schreibt-sich-die-gesetze-selbst%e2%80%9d/#comments Wed, 02 Sep 2009 10:00:33 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=1780 Erding_Flughafen-2

Foto: Milos Djuric

ERDING. Martin Eibl (48) steht im Garten seines Einfamilienhauses am Ortsrand von Berglern. Gleich hinter dem Garten beginnen die Felder. Vögel zwitschern, es könnte ein Idyll sein. Dann durchschneidet Flugzeuglärm die Luft und Eibl muss seine Stimme kurz heben. Nur zwei Kilometer von seinem Haus entfernt führt die Einflugschneise vom Flughafen Franz Josef Strauß entlang. Auch aus diesem Grund ist der Elektroingenieur Mitbegründer der Bürgerinitative Berglern, die sich gegen den geplanten Ausbau der dritten Start- und Landebahn wehrt:

„Momentan fliegen die Flugzeuge in ca. 800 m Höhe über den südlichen Ortsteil. Die Bevölkerung ist durch den Fluglärm schon sehr belastet. Wenn die neue Landebahn kommt, wird eine weitere Einflugschneise den Ort mit Lärm überfluten. Die Flugzeuge werden dann in nur ca. 300 m Höhe über unser Zentrum mit Kindergärten, Schule und Kirche donnern.“

Die Gemeinden im Kreis Erding sind wohlhabend, viele ansässige Unternehmen profitieren von der internationalen Anbindung an den Geschäftsverkehr. Deswegen habe sich die Bevölkerung von Berglern mit dem Flughafen arrangiert, aber:

„Die Bevölkerung von Berglern wehrt sich gegen den zügellosen Ausbau. Der Flughafen hat eine Kapazität von mindestens ca. 55. Mio Passagieren und ist derzeit erst zu etwa 60 % ausgelastet. Der Ausbau ist nur den Expansionsplänen der Lufthansa geschuldet, die ihren Flugverkehr immer mehr in München zentralisieren will – obwohl es im Einzugsgebiet München gar nicht genug Fluggäste gibt.“

Ihre Hauptgegner sehen die Mitglieder der Bürgerinitiativen gegen die dritte Start- und Landebahn in den Lobbygruppen großer Fluggesellschaften wie der Lufthansa.

„Die Ministerien holen Flugunternehmen und Flughafenbetreiber als Sachverständige für die Erarbeitung von Gesetzen und Verordnungen. Die Lobbyisten von der FMG (Flughafen München GmbH) und der Fraport (Frankfurt) sitzen direkt mit im Ministerium und machen die Politik, die uns am Ende betrifft. Die Luftfahrt schreibt also seit Jahren ihre Gesetze selbst. Die betroffenen Gemeinden und ihre Bevölkerung bleiben außen vor.“

Erding_Flughafen-1

Foto: Milos Djuric

Der Lärm vom Flughafen sei schlafstörend, sagt Eibl. Doch das Lärmschutzgesetz schütze nicht die Bewohner von Berglern, sondern in Wirklichkeit die Fluggesellschaften selbst.

„Beispielsweise wird der Durchschnittslärm als Maß für die Betroffenheit über einen bestimmten Zeitraum ermittelt und daraus der so genannte Dauerschallpegel gebildet. Aber so ein Dauerschallpegel nützt ihnen wenig, wenn eine große A 340-Maschine startet und übers Dorf fliegt, dann ist Schicht. Da können sie Mittelwerte bilden, soviel sie wollen, wenn sie nachts aus dem Bett geworfen werden.“

Eibl vermisst auch die Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen rund um den Flughafen. Von vornherein sei die Bevölkerung bei den Plänen rund um den Flughafen im Unklaren gelassen worden.

„Das Problem ist, dass 1993 der Flughafen München II als Ersatzflughafen für den Flughafen München-Riem in Betrieb genommen wurde. Nach 10 Jahren sagten die Politiker dann auf einmal, dass es kein Ersatzflughafen mehr sein soll, sondern ein Drehkreuz für den internationalen Flugverkehr. Wir betroffenen Bürger wurden über Jahre nicht richtig informiert.
Der Freistaat Bayern ist mit 51 % Hauptgesellschafter der FMG und für die wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich. Gleichzeitig soll die Regierung von Oberbayern als Verwaltungsorgan des Freistaates beurteilen, ob die die Ausbaupläne genehmigungsfähig sind. Die so genannte Demokratie verkommt da zum Treppenwitz. Wir werden systematisch von der Politik für dumm verkauft und unsere Gesundheit und Heimat den wirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtindustrie, vor allem der Lufthansa, untergeordnet.“

Erding_Flughafen-4

Foto: Milos Djuric


Das Argument des Geschäftsführers der FMG Michael Kerkloh, dass durch den Flughafenausbau mehr Arbeitsplätze geschaffen würden, läßt Eibl nicht gelten:

„Die Flughafenlobby legt den Politikern nahe, dass sonst die Arbeitsplätze verschwinden. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die FMG möchte immer mehr Verkehr in München konzentrieren. Insgesamt ist der Flugverkehr rückläufig und durch die Zentralisierung gehen immer mehr Arbeitsplätze verloren. Zum Einen verschwinden die Arbeitsplätze kleiner Fluggesellschaften, die von der Lufthansa aufgekauft werden, etwa bei der Air Dolomiti oder der Austrian.
Dazu kommt, dass die Arbeitsplätze, die entstehen, Billigjobs sind. Die FMG versucht seit einigen Jahren die Bodenverkehrsdienste zu privatisieren, weil die Kosten zu hoch sind. Privatisieren heißt in diesem Fall die Personalkosten senken. Die Leute können mit ihrer Arbeit ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr bestreiten. Was wiederum bedeutet, dass sie zusätzliche Unterstützung durch den Staat benötigen, bzw. von weit her pendeln müssen und viele Pendler bedeuten noch mehr Verkehr und noch mehr Belastung.“

Die politischen Konsequenzen sind für den Gemeinderat Eibl klar:

„Ich glaube nicht, dass hier bei der Bundestagswahl viele Leute zur Wahl gehen werden. Die CSU hat das im letzten Jahr sehr zu spüren bekommen, dass sie von den umliegenden Gemeinden des Flughafens abgestraft worden ist. Ich sitze selbst im Gemeinderat, deswegen werde ich wohl wählen müssen, aber ich weiß wirklich momentan nicht, wen ich da wählen soll.

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Tagebuch: Danke, Herr Huber! http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/danke-herr-huber/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=danke-herr-huber http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/danke-herr-huber/#comments Mon, 24 Aug 2009 16:00:26 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=1329 abschied_erdingFoto: Milos Djuric

Vielen Dank an Herrn Huber vom Freizeitzentrum Hasselbach, der seine “Kollegen” von der Wahlfahrt09 freundlicherweise untergebracht hat. Herr Huber hat nämlich zufällig bei der SZ volontiert und symphatisiert nach wie vor mit Journalisten. Beste Grüße!

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CSU ohne C http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/csu-ohne-c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=csu-ohne-c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/csu-ohne-c/#comments Mon, 24 Aug 2009 14:15:22 +0000 Thomas Trappe http://www.wahlfahrt09.de/?p=1744 Erdingen, 24.09.2009: In der Kirche St. Johann liegt das Skelett des Sanctus Prosper in einem Glaskasten aufgebahrt.[/caption]Foto: Milos Djuric

ERDING. Erding in Oberbayern ist wohl das, was man eine ur-katholische Gemeinde nennt. Auch wenn hier nur wenige ihren christlichen Glauben in Frage stellen, hat die Autorität der Kirche abgenommen. Auch das Kreuz bei der CSU zu machen, ist für Erdinger Christen lange nicht mehr selbstverständlich. Viele hoffen hier auf neue Parteien – die sich um Gottes Willen nicht als christlich etikettieren sollen.

Ein Skelett, ausgerechnet. Es liegt ein Skelett im Glaskasten. Ich gehe als Atheist in die Erdinger Stadtpfarrkirche St. Johann, kenne mich schlecht aus mit Kirchendingen. Weiß also auch nicht, dass es für Katholiken üblich ist, Leichenteile von Heiligen in Kirchen vorgesetzt zu bekommen, in diesem Fall eben die Gebeine des Sanctus Prosper. Auf drei Samtkissen liegt er gebettet, sämtliche Knochen sind mit Gold verziert, die Augen sogar ausgestopft. Da ich kein Latein kann, vermute ich nur, was Sanctus Prosper wohl heißen könnte. Der Heilige Wohlhabende? Der Heilige Reine? Egal, zu Erding passt es irgendwie, in jedem Fall.

Ich bin an diesem Sonntag in der Kirche, weil die Wahlfahrt09 Station im oberbayrischen Erding macht, eine Region, in der die Kirche ja angeblich eine herausragende Rolle spielt. Ich will wissen, ob das wirklich so ist und wie dadurch das politische Denken in der Stadt beeinflusst wird. Bedeutet Christ sein christsozial sein? Ist die CSU-Dominanz in Bayern quasi gottgegeben?

Doch erst mal wird gebetet. Die Kirche ist zu zwei Dritteln gefüllt, vor allem Ältere sitzen in den Reihen. Die Bewegungsabläufe sind fast synchron, zu den Gesangsbüchern greift kaum einer, wenn im Chor zu Gott gesprochen wird. Bis zum Schluss wirkt der Gottesdienst wie eine gut choreographierte Veranstaltung.

Nach den Abschiedsworten des Pfarrers teilt sich die Menge. Die meisten strömen zum Ausgang, nur wenige bleiben sitzen, bis das Orgelspiel zu Ende ist. Unter ihnen Erich Greiner (73), er lauscht bedächtig. Greiner geht seit Kindestagen in den Gottesdienst, fast jeden Sonntag. Jetzt nach der Predigt wirkt der vollbärtige Mann gelöst und gibt mir bereitwillig Auskunft, was er von der Institution Kirche hält: Nicht viel. Viel zu autoritär gebe die sich, stecke fest in einer Kruste leerer Rituale. „Das Ganze ist eigentlich ein Schmarrn“, sagt er. Meine Frage, warum er dann noch in den Gottesdienst geht, beantwortet er mit einem Vergleich: „Wenn Sie Fußball spielen wollen, gehen Sie in einen Fußballverein, auch wenn sie vom Vorstand nicht viel halten“. Als gläubiger Christ sei er eben gerne im Haus Gottes, „das ganze Drumherum interessiert mich nicht“.

“Fegefeuer ist reiner Schwachsinn”

Erich Greiner genießt die Freiheit, so harsch über seine Kirche zu reden. Er erinnert sich, wie er als Kind vom Pfarrer eingebläut bekam, dass es ein Fegefeuer gebe und ihm dieses drohe, sollte er nicht brav Gott ehren. „Reiner Schwachsinn“, sagt er heute. Vor allem auf die Unwissenheit und Angst habe die Kirche seinerzeit gesetzt, um ihre Macht in der Gemeinde zu festigen, davon ist der Übersetzer überzeugt, der nach dem Frühschoppen an diesem Sonntag noch am Schreibtisch sitzen wird. Dass die Kirche den Tag lieber als Ruhetag respektiert sehe, ist ihm egal.

Auch das Rentnerpaar Erich Jauernig (73) und Christa Lainer (71) hat heute keine Kirche besucht, schon lange verzichten die Beiden darauf. Ich begegne dem Paar, als es Händchen haltend durch die Erdinger Innenstadt schlendert. Sie verstehen sich als gläubige Christen, „dafür brauch ich die Kirche aber nicht“, meint der Mann im eleganten Pullover. „Unterdrückt“ hätten ihn die Pfarrer in seiner Kindheit, berichtet er. Nie vergessen hat er den Tag, als er als kleines Kind aus dem Gottesdienst geschmissen wurde, weil er sich auf einen Stuhl setzte. Er kam damals als schlesisches Flüchtlingskind nach Bayern, die Sitzplätze seien den Einheimischen vorbehalten gewesen. Gleichzeitig drohten aber Strafen bis hin zu Schlägen, wenn der Gottesdienst geschwänzt wurde, sagt Jauernig.

Erding, 24.09.2009: Eine Stammtischrunde im Erdinger Weissbräu

Erding, 24.09.2009: Eine Stammtischrunde im Erdinger Weissbräu

Diese Zeiten sind vorbei. Ich geselle mich an einen Stammtisch, drei Männer Mitte 50 treffen sich jeden Sonntag um zehn Uhr morgens hier, um ein paar Weizen zu trinken. Die Autorität ist hier nicht mehr der Pfarrer, sondern die Ehefrau. Bis Mittag müssten sie zu Hause sein, erzählen die Drei, sonst gebe es Ärger mit der Gattin. Nur einer von den Stammtischbrüdern war heute im Gottesdienst, Anton Reidl, Kraftfahrer. „Ich hab für die anderen mit gebetet“, sagt er und gibt zu verstehen, dass er sich schönere Themen an einem Sonntag vorstellen kann als Gott und Kirche. „Zum Gottesdienst gehen bei uns eigentlich nur noch die Älteren“, meint Reidl, der selbst sporadisch geht. Als Christen verstehen sich aber auch diese Männer, keine Frage.

Angst flößt die Kirche in Erding keinem mehr ein, das ist mir jetzt klar. Deutet das auch einen Bedeutungsverlust der christlichen Volkspartei CSU hin?

„Auf jeden Fall war es früher so, dass ein Kirchgänger meist auch CSU gewählt hat“, sagt der Kriegsflüchtling Jauernig. „Ein Christ macht sein Kreuz bei der CSU, das hat lange gegolten“, erzählt mir wenig später auch Joseph Festner, „selbst 68er-geprägt“, wie er auch durch seine langen, offen getragenen Haare zu erkennen gibt. In Bayern seien Staat und Kirche lange Zeit eine Symbiose eingegangen. Entsprechend normal sei es gewesen, dass von der Kanzel aus gepredigt wurde, was auf dem Wahlzettel angekreuzt werden sollte. Eine andere Partei als die Christsozialen sei nicht in Frage gekommen. Auch Festner musste als Kind in die Kirche, ob er wollte oder nicht. „Mein Sohn muss das nicht mehr“, betont er.

CSU-Frühschoppen in der Sportgaststätte

Ortswechsel. CSU-Frühschoppen in der Sportgaststätte „SV Wörth“, das Wahlfahrt09-Team schaut sich einen Auftritt von Max Lehmer (62) an. Vor einer Legislatur gewann Lehmer in Erding ein Direktmandat – mit der überwältigenden Mehrheit von 58,4 Prozent. Von Bedeutungsverlust der CSU ist hier im Saal wenig zu spüren. Vor den rund 25 Zuschauern, darunter eine Frau, hat Lehmer ein Heimspiel. Der Mann mit dem weißen Kinnbart redet frei, nach wenigen Minuten verkleben die ersten Schweißtropfen auf der Stirn seinen sauber gekämmten Seitenscheitel. Während seiner einstündigen Rede kommt er nur kurz auf die Rolle des Christlichen in seiner Partei zu sprechen, sagt, dass er vor allem „christlich soziale Werte“ in der Politik betont wissen möchte: „Dann haben wir die Familien auf unserer Seite.“

Die Männer unten am Tisch sind von Lehmer begeistert. Einer sagt, er schätze an dem CSU-Abgeordneten seine „christlich familiäre Einstellung“. Was bedeutet das, wollen wir wissen? „Dass einer die Wahrheit spricht“, antwortet jemand. In wenigen Sätzen erklären die meisten hier am Tisch, dass sie nicht den wählen, der am christlichsten daherkommt. Aber eben trotzdem CSU. Fünf von neun Befragten sind sich da sicher, vier andere überlegen noch. „Ohne die CSU haben wir kein Sprachorgan in Berlin“, fasst einer die Gründe für die Wahlen zusammen. Der nächste ergänzt: „Unter der CSU ist es uns immer gut gegangen.“ Nein, die Glaubensfrage stehe beim Kreuzchen machen für keinen im Vordergrund.

CSU und Kirche sind zwei Paar Schuhe

Dass CSU und Kirche inzwischen zwei verschiedene Schuhe sind, kann ich mir direkt in der Kirche bestätigen lassen. Pfarrer Ludwig Klarl jedenfalls ist weit davon entfernt, Wahlempfehlungen zu geben. Drei Gottesdienste hat Klarl bereits hinter sich, als ich ihn am Ende dieses Vormittags in der Sakristei der Pfarrkirche besuche. Sein Pfarrgewand hat er abgeworfen, spricht noch kurz mit ein paar Kirchenbesuchern. „Es geht in der Politik um den Mammon“, sagt er während unserer Unterhaltung. Natürlich auch bei der CSU. Zu einer direkten Kritik an der Partei will er sich nicht hinreißen lassen. „Das C sollte eine Partei umsetzen, wenn sie es im Namen trägt“, sagt er aber und lässt keinen Zweifel daran, dass die CSU das aus seiner Sicht nicht tut. „Die Regierung gibt Milliarden aus und die Leute werden immer ärmer.“

Ich erinnere mich an das Gespräch am Morgen mit Erich Greiner, der so gerne dem Orgelspiel zuhörte. Kleine Parteien, die sich erst noch gründen müssten, so meinte er, würden in Bayern künftig an Zulauf gewinnen, weil man ihnen am ehesten zutraut, dass sie noch neue Ideen hätten. Ich werde diese Meinung dann noch öfter hören am Nachmittag, zum Beispiel von einem Erdinger, der mir erzählt, dass er die Ökologisch Demokratische Partei Bayern wählen wollen. Oder jenem, der noch auf die überzeugende Partei wartet, die vielleicht noch gegründet wird.

Mit christlichen Werten sollte diese Partei der Zukunft wohl in Erding besser nicht werben. Erich Greiner fasst für mich zusammen, was sich wohl viele Bayern wünschen. „Wer mich regiert, soll nicht das Christentum als Etikett verwenden, sondern ein guter Verwalter sein. Er soll auf mein Geld aufpassen und mich nicht anlügen.“

Vielleicht wollen die Erdinger einfach, dass die Politiker ihre Kirche im Dorf lassen.

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Tagebuch: Weiß-blau ist der Himmel über Erding http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/weis-blau-ist-der-himmel-uber-erding/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=weis-blau-ist-der-himmel-uber-erding http://www.wahlfahrt09.de/tagebuch/weis-blau-ist-der-himmel-uber-erding/#comments Mon, 24 Aug 2009 13:14:00 +0000 Moira Lenz http://www.wahlfahrt09.de/?p=1258 erding-tagebuch

Foto: Milos Djuric

Mei, Erding is halt a Pracht, des löst sich nicht leugnen. Bei schönstem Sonnenschein san die Wahlfahrer heut gsessen am Kleinen Platz und ham Hof ghalten in dem Ort, der „so schön historisch aussieht“, des zumindest findt die 17-jährige Sonja, a Mädl, des bei der Party von ednetz im „Penthouse“ war.

Ist er auch, historisch mein i, seit 1228 hat er nämlich bereits das Stadtrecht, so. Nachdem sich’s gestern nicht also nur nicht ham bitten lassen, sondern beim Sauwetter, dem blödn, glei gonz weg blieabn sin, sans heut fast zutraulich, ja, zudringlich gworn, die Erdinger. Sozusagen die sprichwörtliche Klinke in die Hand hams sich gebn. Und glästert hams, mei, am liebsten über die Politiker: Von wegen oh du schönes CSU-Land der Bayern – heuer stehn die auch nicht mehr so guat do, die „Christlichen“. Veroarscht fühln sich die Bürger „Was die in dieser Woche versprechen, des hams den nächsten Tag schon vergessen“ – Rauchverbot, Startbahn, Milchpreise, die Liste ließ sich lang noch weiter führn.

Manch einer will drum gar nicht mehr wählen, aber nicht still und leise, nein! Des wird öffentlich gmacht, des solln die nur alle wissen. Der Martin, a Bauer, meint, dass die Bayern, traditionell befangen san und eigentlich immer a Führung braucht ham. Der Strauß hat des begriffen ghabt, und selbst der Stoiber hats no gwußt, aber jetzt? Die kleinen Parteien, vielleicht sogar die Pauli, des wär vielleicht no a Lösung – aber eben auch nur, bis s an der Macht gschnuppert ham, dann is vorbei.

Früher, des meint der Jauernig Erich, da wars ganz leicht gwen mit dem Wählen: Wenn die Partein alle beide Recht ghabt ham (mehr als die CSU und a ganz kleine SPD hats da nicht gebn), dann hat ma die gwählt, die mehr Maß zahlt hat beim Frühschoppen – wer des gwen ist, des muss ma jetzt nicht no sagn, oder?

Das des so oanfach amohl war, muss sich die Wahlfahrt jetzt erst amohl im Munde zergehen lassen – mit am prächtigen Weißbräu, in Erding.

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„Warum tun Politiker immer so, als gäbe es für alles einfache Lösungen?“ http://www.wahlfahrt09.de/menschen/%e2%80%9ewarum-tun-politiker-immer-so-als-gabe-es-fur-alles-einfache-losungen%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259ewarum-tun-politiker-immer-so-als-gabe-es-fur-alles-einfache-losungen%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/menschen/%e2%80%9ewarum-tun-politiker-immer-so-als-gabe-es-fur-alles-einfache-losungen%e2%80%9c/#comments Mon, 24 Aug 2009 11:08:44 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=1268

Erding_Manuel_Brandel-300X400

Foto: Thomas Trappe

ERDING. Manuel Brandl-Edler von Schweller (26) ist gelernter Gartenlandschaftsbauer und auf der Suche nach einem Job. Obwohl es in Erding offiziell fast keine Arbeitslosigkeit gibt, tut er das nun schon seit einem Jahr ohne Erfolg. Politikern traut er nicht, wählen wird er dieses Jahr nicht gehen.

Sicher, in Erding gibt es eigentlich fast Vollbeschäftigung. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, ich glaube, dass die oft einfach runtergerechnet werden, zum Beispiel mit Hartz-IV-Empfängern, die sinnlose Seminare oder Bewerbungstrainings besuchen.

Ich selbst wurde vor einem Jahr arbeitslos. Meine Firma hatte damals einen Subunternehmer beauftragt, wenig später ist mein Job weggefallen. Seitdem suche ich einen Job als Landschaftsgärtner. Ohne Führerschein fällt das aber ganz schön schwer. Inzwischen hab ich mich auch schon bei Zeitarbeitsfirmen nach Jobs erkundigt, vielleicht klappt es ja demnächst.

Ob die Politik fähig ist, meine Situation zu verbessern, bezweifle ich. Um ehrlich zu sein, halte ich nicht viel von Politikern. Ich werde deshalb dieses Jahr nicht wählen gehen, bei der letzten Bundestagswahl war ich auch nicht. Es gibt einfach keine Partei, von der ich denke, dass sie es bringt oder die meine Ziele vertritt. Es wird von Politikern einfach zu viel versprochen, was dann nicht gehalten werden kann.

Dabei verstehe ich, dass in der Politik nicht alles so einfach ist. Aber dann frage ich mich, warum dann immer so getan wird, als gebe es einfache Lösungen? Das macht doch keinen Sinn. Ich werde jedenfalls erst wieder wählen gehen, wenn die Worte der Politiker wieder ihren Taten entsprechen und sie Aussagen machen, bei denen wirklich klar ist, was sie eigentlich meinen.

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Großstadtfeeling in Mini http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grosstadtfeeling-in-mini/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=grosstadtfeeling-in-mini http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grosstadtfeeling-in-mini/#comments Sun, 23 Aug 2009 16:34:27 +0000 Moira Lenz http://www.wahlfahrt09.de/?p=1391 ERDING. Ruhig ist es nachts in der altbayerischen Kreisstadt Erding. Außer vor dem Penthaus, einer Disko im Gewerbegebiet: Keineswegs einsam wacht hier die Jugend der Stadt. Vor der Tür des fünfstöckigen Geschäftsgebäudes wartet eine lange Schlange adrett aufgerüschter Menschen, die unbedingt hinein wollen: Denn an diesem Abend feiert ed Netz fünfjähriges Bestehen. Steffi strahlt. Die17-Jährige zeigt stolz ihre VIP-Manschette: „Mein Onkel ist bei der Raiffeisenbank und hat mir die Einladung zur Party geschenkt“. Das Wahlfahrt09-Team ist schon drin, um zu erfahren, was sich hinter diesem strahlenden Netz verbirgt.

Ed Netz ist eine Erfolgsgeschichte aus Erding: Die Community – 2004 von Sebastian Blum begründet, „aus der Idee heraus, Party-Bilder ins Netz zu stellen“– verzeichnet heute etwa 60.000 Besucher pro Woche. Party, chatten, Freunde treffen, damit hatte er damals einen Nerv getroffen: Denn das ist der große gemeinsame Nenner der Erdinger Jugend. Heute rangiert ed Netz hier noch vor den Branchengrößen Lokalisten.de und Facebook. Regionale Vernetzung stehe im Vordergrund, „so gelangen wir an die lokale Werbung“, erklärt der 26-Jährige Wirtschaftsinformatiker. „Wenn auf eine Party wegen uns 400 Leute mehr kommen, können wir ganz andere Preise verlangen, als wenn Nivea eine Cremekampagne bei uns schaltet – denn die wird einfach schlecht bezahlt“.

Das Netzwerk wird sich wohl noch einige Zeit auf Platz 1 halten, denn die meisten User wollen bleiben. Kein Wunder: In Erding herrscht Vollbeschäftigung – die Gegend ist eine Boomregion, seit 1992 der Münchner Flughafen Franz Josef Strauß im Erdinger Moos öffnete. Max Renninger vom Erdinger Anzeiger erklärt sich das so: „Irgendwie verändert sich hier alles zum Besseren, scheinbar ohne eigenes Zutun. Hier kommt einfach alles ganz selbstverständlich, weil die Strukturen noch stimmen“ – die Erdinger seien eben sehr traditionell. Und stolz auf ihre Herkunft, es gehe ihnen so gut, dass gar kein Zwang zu Veränderung bestünde, bemerkt der 23-Jährige.

Sandro Maierhofer hat es geschafft. Der 20-jährige Fliesenleger ist am Türsteher vorbei gekommen und will jetzt feiern: „Ed Netz nutze ich für Freunde, zum Kennen lernen und einfach zum  Schreiben“ – wählen wird er nicht, denn ändern will er nichts: „Ich lebe jetzt seit 20 Jahren in Erding und bleibe in Erding“. Darin gleichen sich die Stimmen und die Stimmungen der jungen Menschen: Hier ist es schön, hier will ich sein. So sieht das auch Alex, der im nächsten Jahr 18 wird: Nach der Schule will er studieren, Maschinenbau in München. „Dann mal schaun, wo ich Arbeit finde – ich würde gerne auf dem Land bleiben –  und da will ich dann verweilen“ – selbst die Sprache der Jugendlichen hat hier etwas Altmodisches.

Sonja ist auch im Penthaus. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau, will dann ins Management – ihr Interesse an Politik ist mäßig: “Außer Horst Schlämmer interessiere ich mich nicht für Politik“. Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer hat es geschafft: Mancherorts scheint die Kunstfigur realer als die Politik. Selbst aktive Nichtwähler wie Rentner Dietmar Loleit erwähnen das „Projekt“ als gelungene Parodie, die die Auseinandersetzung um Realpolitik fast zu ersetzen scheint.

Das sieht Steffi mit dem VIP-Bändchen anders: Politik interessiere sie schon, „schließlich geht es da um uns, aber ich darf noch nicht wählen“. Vor ein paar Wochen war sie in Berlin und Hamburg, mit ein paar Freundinnen, Sightseeing. „Interessante Städte, ganz anders als München oder Erding“, erzählt die Schülerin. „Ich hab eine Führung durch den Reichstag gemacht. Da sind wir auch zufällig in eine Demo rein geraten. Sie lacht: „Heute schon das Gras von Morgen rauchen“, damit sind sie rum gezogen“. Ihre berufliche Zukunft sieht sie in  München: „Dort arbeiten, aber in Erding leben. Denn hier ist es Großstadt-Feeling in  Mini“.

In der Region bleiben wird wohl auch Sebastian Blum, Gründer von ed Netz: Eben hat ihn ein Headhunter für eine große überregionale Tageszeitung mit Sitz in München abgeworben, um ihr Online-Portal zu verbessern. Warum sollte er auch gehen. Kommt man doch per Internet von Bayern in die ganze Welt.

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